Gwydion 03 - König Arturs Verrat
setzte sich Lancelot neben Sir Kay auf einen Schemel.
„Wir beide waren weiß Gott nie Freunde. Es hat Momente gegeben, da wünschten wir uns gegenseitig den Tod oder Schlimmeres an den Hals. Doch heute muss ich sagen: Ich gäbe meine rechte Hand, wenn Ihr gesunden würdet, um Euer Amt wieder auszuüben.“ Er warf Merlin einen kurzen Blick zu. „Camelot ist in großer Gefahr, vielleicht der größten, der wir uns je stellen mussten.“
Gwyn trat zu Katlyn heran und ergriff zögerlich ihre Hand. „Es tut mir leid um deine Bücher“, sagte er leise. Sie sagte nichts, erwiderte aber den Druck, als würde sie ihm für seine Anteilnahme danken.
Gwyn wusste genau, wie Katlyn sich fühlte. Ihre Familie war vor vielen Jahren von Sachsen ermordet worden und ein Teil der Bücher in Merlins Bibliothek waren das Einzige, was von ihrem Familienbesitz gerettet werden konnte. Das Buch des Joseph von Arimathäa, das Merlin seit vielen Jahren hütete, gehörte Gwyn, das spürte er jetzt. Es war neben dem Medaillon seiner Mutter die einzige greifbare Verbindung zu einer Vergangenheit, die er langsam auch als die seine begriff. Er war der letzte Nachfahre einer langen Linie von Gralshütern, die den größten Schatz des christlichen Abendlandes manchmal sogar um den Preis ihres Lebens beschützt hatten, damit er nicht in die falschen Hände fiel. Nun musste er sich fragen, ob Artur zu den Freunden des Grals gehörte oder einer seiner Feinde war.
Der König war mittlerweile derartig von der Gier nach dem Gral besessen, dass er offensichtlich völlig seinen Auftrag vergessen hatte, den er sich einmal in jungen Jahren in ehrenvoller Absicht gegeben hatte: in einer Welt des Chaos ein Reich zu errichten, in dem für Willkür kein Platz war. Doch nun war er die Ordnung, die Welt drehte sich um ihn. Wer nicht für Artur war, der war gegen ihn und somit zwangsläufig ein Feind der Tafelrunde.
Sir Kay hatte bis zu diesem unseligen Anschlag Camelot im Namen des Königs mit eiserner Hand regiert. Die Tafelrunde, die zunächst als Vereinigung freier Ritter gegründet worden war, die sich unter Arturs Wappen, dem Roten Drachen, versammelt hatte, war gescheitert. Einzig die Suche nach dem Gral und das unnachgiebige Regiment des Hofmeisters hatte die Ordnung aufrechterhalten. Jetzt stellte sich heraus, dass die Ritter der Tafelrunde zu alt, zu müde und vor allen Dingen zu verschieden waren, um dem Mahlstrom der Ereignisse zu entfliehen, der sie und Artur am Ende verschlingen würde.
Gwyns Blick fiel auf Merlin, der sich müde auf einen Stuhl gesetzt hatte, den Blick nach innen gerichtet. Zum ersten Mal waren dem Mann, der angeblich drei Königen gedient haben sollte, die Last der Jahre anzusehen. Seine sonst so wachen Raubvogelaugen waren blutunterlaufen und lagen tief in ihren Höhlen, die fahle Haut spannte sich über den Wangenknochen, was die lange Nase noch spitzer wirken ließ. Bart und Haupthaar hingen schütter und ungewaschen hinab, die langen Fingernägel waren ungepflegt. Seine Stimme hingegen war fest und klang immer noch erstaunlich jung.
„Wann brecht Ihr auf?“, fragte er schließlich.
„Umgehend“, antwortete Lancelot. „Obwohl mir der Gedanke, Camelot zu verlassen, gehörige Bauchschmerzen verursacht.“
„Erlaubt Ihr mir, vor Eurer Abreise noch ein Wort mit Eurem Knappen zu wechseln?“
„Natürlich.“
„Allein?“
Irritiert stand Lancelot auf und auch Katlyn erhob sich, doch Merlin bedeutete ihr, sitzen zu bleiben. „Nein, ich möchte, dass du bleibst.“
Lancelot hob überrascht eine Augenbraue. Dann verneigte er sich knapp und ging.
„Ich hoffe, ich war jetzt nicht unhöflich zu deinem Herrn“, sagte Merlin, als die Tür ins Schloss gefallen war. Er ging hinüber zu einem Regal und holte eine bauchige, tönerne Flasche hervor, die er auf einen niedrigen Tisch stellte. Dann füllte er drei Becher mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. „Trinkt einen Schluck, ich glaube, wir haben es alle nötig.“
Gwyn nahm einen der Becher und roch daran. „Was ist das?“ fragte er.
Merlin nahm einen großen Schluck, schüttelte sich und wischte sich mit dem Ärmel seines Mantels den Mund ab. „Uisge“, krächzte er. „So nennt man es in meiner Heimat. Hier würde man Wasser des Lebens dazu sagen.“
Gwyn nahm einen Schluck und riss die Augen auf. „Um Himmels willen, das brennt wie Feuer!“, hustete er.
Katlyn nippte nur an ihrem Becher und stellte ihn kopfschüttelnd wieder zurück. Merlin wollte
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