Gwydion 03 - König Arturs Verrat
Gwyn noch etwas nachschenken, aber der hob abwehrend die Hand. Der alte Mann zuckte mit den Schultern und füllte dafür seinen Becher noch einmal so voll, dass er beinahe überschwappte.
„Wie geht der Unterricht voran?“
„Gwyn ist ein gelehriger Schüler“, sagte Katlyn. „Er macht große Fortschritte.“
Gwyn nickte begeistert. „Ich habe sogar damit begonnen, ein mehrsprachiges Wörterbuch anzulegen, in Latein, Griechisch, Hebräisch und Aramäisch.“
Merlin zauberte aus seiner Kutte ein kleines Buch hervor, schlug es auf und reichte es Gwyn. „Lies vor.“
Gwyn warf Katlyn einen unbehaglichen Blick zu, wischte sich die Hände ab und räusperte sich:
„Daedalus interea Creten longumque perosus exilium tactusque loci natalis amore clausus erat pelago. Terras licef inquit, et undas obstruat: et caelum certe patet; ibimus Mac: omnia possideat, non possidet aera Minos.“
„Genug, das reicht. Und jetzt übersetze die Passage.“
Gwyn blies die Backen auf und betrachtete die Wörter, als hätten sie sich plötzlich in Fliegendreck verwandelt.
„Daedalus waren inzwischen Kreta und das lange Exil verhasst, und ergriffen von der Liebe zur Heimat war ihm das Meer versperrt. ,Mag er auch die Wellen versperrt haben, sagte er, ,aber der Himmel steht uns bestimmt offen; wir werden auf diesem Weg gehen. Alles mag er besitzen, die Luft besitzt Minos nicht.“
Er klappte das Buch wieder zu und schaute auf.
Merlin schob anerkennend die Unterlippe vor. „Alle Achtung. Und das in dieser kurzen Zeit. Du bist wirklich begabt.“
„Ich hatte eine geduldige Lehrerin“, erwiderte Gwyn leise, worauf Katlyn – natürlich – puterrot anlief.
„Ja, ich weiß. Nicht umsonst habe ich sie dir an die Seite gestellt. Wie sieht es mit den anderen Sprachen aus?“
„Nicht so gut, um ehrlich zu sein“, gab Gwyn zu. „Besonders das Hebräische und das Aramäische bereiten mir noch Schwierigkeiten.“
„Ja, die Schrift ist ziemlich vertrackt“, gab Merlin zu. „Und wie weit seid ihr mit dem Buch des Joseph von Arimathäa gekommen?“
„Wir stehen noch am Anfang“, sagte Katlyn. „Uns ist es zwar gelungen, einige Passagen zu übersetzen, doch sie ergeben keinen Sinn.“
Und Gwyn ergänzte: „Wir vermuten, dass Joseph mit Absicht in Rätseln geschrieben hat, um eine tiefere Wahrheit zu verbergen. Aber das wisst Ihr ja selbst. Vielleicht wären wir weiter gekommen, wenn wir das Buch hätten länger untersuchen dürfen.“
Im obersten Stock rumpelte es wieder und alle schauten zur Decke hinauf.
„Wenn du wiederkommst, wirst du mehr Zeit mit dem Studium dieser Schrift verbringen können, das verspreche ich dir“, sagte Merlin. „Einstweilen lassen wir dem König seinen Willen. Wer weiß, vielleicht hat er ja mehr Glück als wir. Du hast jedenfalls deine erste Prüfung bestanden. Und du hast meine kühnsten Erwartungen übertroffen.“
Gwyn reichte ihm Ovids Metamorphosen, das Buch, aus dem er übersetzt hatte, zurück und stand auf. „Wenn Ihr erlaubt, werde ich jetzt meine Sachen packen. Vor mir liegt noch ein langer Weg.“
„Oh ja, das tut er in der Tat.“ Merlin leerte seinen Becher. „Und ich hoffe, das schreckt dich nicht. Wenn du Rowan siehst, grüße ihn von mir.“
Katlyn stand auf und reichte Gwyn die Hand. „Eine gute Reise. Ich werde die Stunden mit dir vermissen.“
„Ich auch“, erwiderte Gwyn leise. Einen Moment schauten sie sich in die Augen, bis Merlin kicherte.
„Oh ja“, seufzte er. „Noch einmal so jung sein. Für euch bricht der Frühling gerade erst an. Auf mich hingegen wartet nur noch das Ende des Winters.“
Katlyn zog die Hand zurück und sah verlegen zu Boden. Merlin lachte noch immer, als er die Becher wegräumte und im Vorübergehen gut gelaunt Sir Kay auf die Schulter klopfte, der noch immer in seine Decke gehüllt am geöffneten Fenster saß. Irgendetwas schien seine Aufmerksamkeit zu fesseln.
Gwyn schaute hinaus, doch da war nichts außer den Raben, die über Camelot ihre Kreise zogen.
Aufbruch nach Norden
„Am liebsten würde ich mit euch reisen“, knurrte Orlando. Er hatte sich auf Gwyns Bett gesetzt und schaute zu, wie sein Freund die Satteltasche packte. „So ein kleiner Ausflug käme mir gerade recht.“
„Rowan zu suchen hat nichts mit einem Ausflug zu tun“, sagte Gwyn. Er hatte die Landkarten, die er von Aemilius Decimus bekommen hatte, dem letzten römischen General in Britannien, aus der Truhe geholt und warf
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