Gwydion 03 - König Arturs Verrat
gestanden. Man sagt, das Camelot auf den Fundamenten dieses Tempels steht, dessen größtes Heiligtum eine Quelle war, die aber irgendwann versiegt sein muss. Doch wie gesagt, das sind Geschichten, die ich nur aus dritter Hand kenne.“
Gwyn horchte auf. Als er sich während Mordreds Belagerung aus Camelot geschlichen hatte, war er auf einen unterirdischen Saal gestoßen, der Gwyn ein wenig an die römische Therme erinnerte, die er in Aquae Sulis besucht hatte. Konnte es sein, dass er die Überreste jenes alten Dianatempels entdeckt hatte, von dem Lancelot sprach?
„Camelot war zu Beginn nichts anderes als ein durch Holzpalisaden gesichertes Heerlager, in dem knapp hundert Söldner unter erbärmlichsten Bedingungen hausten, doch das sollte sich bald ändern“, erzählte Lancelot weiter. „Während Artur von einem Feldzug zum anderen zog, kümmerte sich Merlin um den Ausbau der Festung. Und er erhielt jede Unterstützung, die er brauchte, denn Artur eroberte nicht nur die Landstriche der Umgebung, sondern auch die Herzen ihrer Bewohner. Die meisten Bauern hatten unter der Knute selbstsüchtiger adeliger Herren gelitten. Artur war der Erste, der diese geknechteten Menschen mit Würde und Respekt behandelte. Er sprach mit ihnen und, was noch viel wichtiger war, er hörte ihnen zu. In kürzester Zeit erblühte das Land. Niemand musste mehr hungern.“ Lancelot verfiel in ein bedeutungsvolles Schweigen. Er drehte den Kelch mit dem Wein in der Hand und nahm einen Schluck. „Es war alles zum Besten bestellt. Bis er Morgan traf und das Unglück begann.“
„Die Blutschande“, sagte Gwyn. „Ich habe die Geschichte schon einmal gehört.“
„Aber kennst du auch die ganze Wahrheit? Artur wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass er der Sohn von Uther Pendragon und Ygerna war! Diese Tatsache hatte ihm Merlin lange Zeit verschwiegen. Stattdessen hatte er immer geglaubt, Sir Ector sei sein leiblicher Vater und Kay sein Bruder. Artur führte zu dieser Zeit Krieg gegen den König von Lothian. Als die Lage immer aussichtsloser für ihn wurde, schickte er Artur seine Frau, um Verhandlungen aufzunehmen. Nun, die beiden verliebten sich auf der Stelle ineinander und neun Monate später schenkte Morgan einem Jungen das Leben, dem sie den Namen Mordred gab.“
„Artur beging zur Blutschande also auch noch Ehebruch“, stellte Gwyn entsetzt fest.
Lancelot hob die Hände. „Es war die Frau seines Feindes und er und Morgan wussten nicht, dass sie Bruder und Schwester waren! Nein, Artur war nie ein König ohne Fehl und Tadel. Dazu machten ihn die Heldensänger erst viel später. Er ist ein Mensch, wie wir alle auch. Und Menschen begehen manchmal verhängnisvolle Fehler. Kurz nachdem Morgan abgereist war, plagten den König Albträume, so als ahnte er, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Und erst jetzt enthüllte Merlin ihm das Geheimnis seiner Herkunft. Man erzählt sich, Merlin habe ihn mit Absicht im Unklaren gelassen und sogar noch nachgeholfen, dass Bruder und Schwester sich ineinander verliebten.“
Gwyn lief ein kalter Schauer den Rücken hinab. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie sich Artur in diesem Moment gefühlt haben musste. Das ganze vorangegangene Leben entpuppte sich schlagartig als eine einzige Lüge. Plötzlich sah man sich und alle Menschen, die einem nahe standen, in einem ganz anderen Licht. Erst als Gwyn erfahren hatte, dass Do Griflet nicht sein Vater war, hatte er Edwins Hass gegen ihn endlich verstehen können – was es für ihn natürlich nicht leichter gemacht hatte, damit umzugehen. Artur musste es ebenso ergangen sein, doch warum hatte er sich nicht von Merlin abgewandt, der ihn so hintergangen hatte? Vermutlich war das Verhältnis zu Kay nach dieser Enthüllung noch tiefer geworden. Oder etwa nicht?
Nach außen hin war Sir Kay immer loyal gewesen. Unverrückbar hatte er stets an Arturs Seite gestanden. Sir Kay hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seinen Sohn in den Stand eines Thronfolgers zu versetzen. Ohne Arturs Unterstützung und Segen wäre diese Mühe vergebens gewesen, doch dann hatten ihnen erst Aileen und dann Rowan einen Strich durch die Rechnung gemacht.
„Dir kommen die Geschichten um Arturs Abstammung bekannt vor, nicht wahr?“ fragte Lancelot, der Gwyns Gedanken zu erraten schien. „Du bist als Geringster unter den Niedrigen aufgewachsen, obwohl es keinen Zweiten geben mag, der von ähnlich königlichem Blut ist wie du. Die Frage ist, wie gehst du mit
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