Gwydion 03 - König Arturs Verrat
in Strömen den Rücken hinab. Es bereitete Gwyn noch immer Schwierigkeiten, durch die Nase zu atmen, was die ganze Sache zusätzlich erschwerte. Ein roter Schleier senkte sich vor seine Augen, doch da hatte er die Schwelle erreicht. Mit einem hässlichen Splittern brach das Holz und der Inhalt polterte zu Boden. Es waren zwölf graue, zylindrisch geformte Metallstücke. Erschöpft sank Gwyn zu Boden und hob eines von ihnen hoch.
„Es sind Bleibarren“, sagte Lancelot, der auf einmal hinter ihm stand. Gwyn holte keuchend Luft, als sein Herr ihm auf die Beine half.
„Ich weiß nicht, ob es besonders klug war, was du gerade getan hast. Du hast gegen das Gesetz der Gastfreundschaft verstoßen und dich um Sachen gekümmert, die dich nichts angehen.“
Doch Gwyn hörte ihm nicht zu. Er schaute hinüber zum Portal des Haupthauses. Mara war nicht mehr da.
„Ich kann Euren Knappen verstehen, Sir Lancelot“, sagte Sir Gore und schenkte seinem Gast Rotwein ein, bis dieser die Hand hob. „In seinem Alter hatte ich ein ebenso ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Ich habe Mara schon so oft gebeten, sie soll im Umgang mit den Bauern mehr Milde walten lassen, doch sie hat ihre eigene Art mit ihnen umzugehen.“
Er hob seinen Kelch und roch an der dunklen Flüssigkeit.
„Vor dreizehn Jahren ist es hier in dieser Gegend zu einer verheerenden Missernte gekommen. Das Vieh starb, viele Familien verhungerten. Also sorgte ich dafür, dass die überlebenden Bauern genug zu essen hatten. Damals war Chulmleigh Keep nur eine kleine Festung. Das Haus, das Euch beherbergt, war noch nicht errichtet, einzig der baufällige Turm, der schon vor über zweihundert Jahren von meinen Vorfahren gebaut worden war, stand hier auf dem Hügel. Ich habe einen großen Teil meiner Besitztümer verkauft, um uns alle zu retten. Es hat mich fast ruiniert. Und ich glaube, dass es nur gerecht ist, wenn man diese Last gleichmäßig auf möglichst viele Schultern verteilt. Also habe ich mit den Bewohnern von Chulmleigh einen Pakt geschlossen: Sie müssen diese Schuld bei mir abtragen. Deswegen gaben sie mir ihr Vieh und ihr Land, das sie nun für mich bewirtschaften, und zahlen durch ihre Arbeit ihre Schulden ab. Und diesen Zins entrichten sie heute noch, obwohl es vielen an der Einsicht für diese Schuld mangelt. Nun ja, irgendwann einmal werden sie ihre Schulden getilgt haben und das Land gehört wieder ihnen.“
„Also sind die Bauern seit dieser Zeit von Eurer Gnade abhängig“, sagte Gwyn anklagend.
„Gwyn!“, fuhr ihn Lancelot an. „Das reicht!“
Doch Sir Gore schien Gwyns Empörung eher zu belustigen. „Genau, so wie auch ich von Arturs Gnade abhängig bin! Ich diene ihm so, wie meine Bauern mir dienen! Und ich habe ihn bisher noch nicht enttäuscht! Ich entrichte pünktlich meine Steuern und dafür erwarte ich von ihm dieselbe Fürsorge, die ich auch meinen Untertanen angedeihen lasse.“
Gwyn sperrte überrascht den Mund auf. Hatte dieser Mann tatsächlich das Wort Fürsorge in den Mund genommen? Er wusste nicht, ob Sir Gore einen Witz gemacht hatte oder er sein Gerede wirklich ernst meinte.
„Bisher habe ich mich unter Arturs Regentschaft immer sicher gefühlt, doch seit einiger Zeit überlege ich mir ernsthaft, zum Schutz der Burg weitere Söldner anzuheuern. Das ist bis jetzt für mich nicht infrage gekommen, denn schließlich weiß man ja nie, welche Laus man sich in den Pelz setzt. Aber die Zeiten haben sich geändert. Man muss sehen, wo man bleibt. Alte Koalitionen zerfallen, neue Bündnisse werden geschmiedet. Ich jedenfalls habe nicht vor, beim nächsten Krieg zwischen den Fronten zerrieben zu werden.“
„Gibt es einen Grund, an Arturs Treue zu zweifeln? Euer Land steht immer noch unter seinem Schutz!“ sagte Lancelot scharf, der nun keinen Zweifel daran ließ, wem seine Treue galt.
„Aber, aber“, fuhr Sir Gore beschwichtigend fort. „Doch gut, dann bin ich einmal der Advocatus Diaboli und frage: Ist Artur wirklich dieser gütige und gerechte Herrscher der alten Legenden?“ Sir Gores Mund verzog sich zu einem dünnen Lächeln. „Nehmt doch zum Beispiel nur einmal die Sachsen, die sich nach der letzten Schlacht ihm angeschlossen haben. Ich habe mir sagen lassen, dass Camelot kurz vor einer Hungerrebellion steht. Wirtschaftet Artur so schlecht, dass er auf so etwas nicht vorbereitet ist? Oder interessieren ihn die Regierungsgeschäfte nicht mehr, weil ihn etwas anderes umtreibt?“
Gwyn ballte die Fäuste und
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