Gwydion 03 - König Arturs Verrat
schleppend voran.
Sie stiegen hinauf zu Merlins Gemächern. Gwyn musste bei jedem zweiten Treppenabsatz innehalten und schwer atmend nach Luft ringen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie oben angekommen waren.
„Die Wache hat geschlafen.“ Gwyn wusste nicht, warum er das gerade jetzt sagte. Vielleicht, um sein unüberlegtes Handeln zu entschuldigen, vielleicht aber auch nur, um seinem Unbehagen darüber Ausdruck zu verleihen, dass auf Camelot etwas nicht in Ordnung war.
Ganz und gar nicht in Ordnung war.
„Ich habe es vermutet“, sagte Merlin. „Aber mach dir keine Gedanken, du hast richtig gehandelt.“
Er stieß die Tür auf und bedeutete Gwyn mit einer Geste, voranzugehen.
Die Unordnung und das Chaos schienen auch vor Merlins Gemächern nicht halt zu machen. Überall lagen Dinge verstreut auf dem Boden und es roch, als hätte man seit Wochen nicht mehr gelüftet.
Camelots Hofmeister, der einst ein kraftstrotzender Hüne gewesen war, saß eingehüllt in eine Decke im einzigen Sessel und starrte mit erloschenen Augen vor sich hin. Sein rotes, von grauen Strähnen durchzogenes Haar war fettig und stand wirr nach allen Seiten ab, als wäre er eben erst erwacht. Das Gesicht war so fahl, dass sein flammend roter Schnurrbart ungesund dagegen abstach. Gwyn warf Merlin einen besorgten Blick zu.
„Es geht ihm gut. Körperlich zumindest. Die Wunde in seiner Seite verheilt ohne Probleme. Nein, es ist sein Geist, der mir Sorgen bereitet.“
„Sir Kay sieht aus wie ein Schlafwandler“, flüsterte Gwyn.
„Du kannst ruhig laut sprechen“, sagte Merlin. „Er versteht uns sowieso nicht.“
Gwyn trat näher an den Hofmeister heran und beugte sich zu ihm hinab.
„Ich vermute, es ist der Schock, der ihm den Verstand vernebelt hat“, fuhr Merlin fort. „Nicht weiter verwunderlich, wenn einem der eigene Sohn ein Messer in den Leib rammt.“
Gwyn hob vorsichtig die Hand und schwenkte sie vor Sir Kays Gesicht. Keine Reaktion, nicht einmal ein Blinzeln. Rowans Vater schien sich tatsächlich an einem fernen Ort zu befinden.
Plötzlich hörte Gwyn hinter sich ein Geräusch und drehte sich um. Als Katlyn sein Gesicht sah, stieß das Mädchen einen erstickten Schrei aus und ließ eine Schale mit heißem Wasser fallen, die daraufhin in tausend Stücke zersprang.
Merlin runzelte die Stirn.
„Katlyn, das war meine letzte Schüssel. Du glaubst nicht, wie schwierig es heutzutage ist, Steingut von dieser Qualität aufzutreiben.“
„Es tut mir leid“, stammelte sie und bückte sich, um die Scherben einzusammeln, wandte dabei aber nicht einen Moment den entsetzten Blick von Gwyn ab, der sich zu einem schiefen Lächeln zwang.
„Offensichtlich sind die Schädel der Sachsen härter als meine Nase“, nuschelte er.
„Es sieht schlimmer aus, als es ist“, versuchte Merlin Katlyn zu beruhigen. „Das Blut kann man abwaschen. Vorausgesetzt, du findest noch etwas, in das man heißes Wasser füllen kann.“
Katlyn errötete, wie sie es immer tat, wenn sie sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sah. „Ich bin gleich wieder da“, sagte sie hastig und eilte davon.
Merlin wandte sich wieder Gwyn zu. „Camelot ist nicht mehr der Ort, der er einst war. Wir alle merken es, nicht nur ihr Knappen.“
„Auch der König?“, fragte Gwyn.
„Artur am allermeisten. Er sieht, wie sein Lebenswerk von den Mühlsteinen der Zeit zermahlen wird. Doch was das Schlimmste ist: Er hat einfach nicht mehr die Kraft, sich dagegen zu wehren. Unser König ist alt geworden. Müde und verbittert.“
Gwyn erschrak, als Merlin diese Worte so offen aussprach.
„Das ist der Lauf der Dinge, Gwyn. Jeder Mensch hat seine Zeit, in der er an Größe gewinnt und die Welt verändert. Nur wenige erkennen diesen Moment und nutzen ihn. Artur war einer dieser Männer. Nun ist seine Zeit abgelaufen – und er will der Wahrheit nicht ins Auge blicken.“
„Sir Kay hat diese Wahrheit erkannt“, stellte Gwyn auf einmal fest.
Merlin lächelte. „Es freut mich, dass die herzliche Abneigung, die ihr beide füreinander hegt, deine Urteilskraft nicht beeinträchtigt hat. In der Tat, Sir Kay war der Einzige gewesen, der sich Gedanken um den Fortbestand von Arturs Lebenswerk gemacht hat. Natürlich waren die Schlüsse, die er aus diesen Überlegungen gezogen hat, genauso unannehmbar wie die Mittel, mit denen er sie durchsetzen wollte.“
„Sir Kay war wohl in der Tat die Seele der Tafelrunde“, sagte Gwyn leise.
„Er hat sie zusammengehalten“,
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