Gwydion 03 - König Arturs Verrat
Bewegung.
„Du nicht“, sagte Lancelot, als er sah, dass Gwyn das Bett verlassen wollte, um den anderen zu folgen.
„Aber Ihr tut mir keinen Gefallen damit. Die anderen werden denken, dass Ihr mich schützt.“
„Was ich in diesem Fall auch tue. Du bist verletzt, Gwyn, und Merlin weiß nicht, wie sehr dein Kopf in Mitleidenschaft gezogen wurde. Leg dich wieder hin und versuche ein bisschen zu schlafen.“
„Aber…“
„Gwyn, bitte“, erwiderte Lancelot erschöpft. „Ich habe schon genug damit zu tun, die anderen Knappen im Zaum zu halten. Gehorche du mir wenigstens ohne Widerspruch.“
Gwyn zögerte und dann nickte er.
„Braver Junge. Du wirst sehen, morgen wird es dir besser gehen.“ Er zwinkerte Gwyn aufmunternd zu und ließ ihn alleine.
Gwyn kroch stöhnend unter die Decke. Zum letzten Mal hatte er sich so gefühlt, als ihn Merlin dazu verleitet hatte, diese Unmengen roten Weines zu trinken. Er hoffte auch jetzt, dass ihn ein langer Schlaf von seinen Leiden kurieren würde.
Doch wie in den Nächten zuvor fand er keine Ruhe. Mordreds Angriff hatte Camelot nur äußerlichen Schaden zugefügt. Aber nun war es anders. Alles strebte auseinander. Sir Kay, der bis zu diesem Zeitpunkt das so zerbrechliche Gefüge mit allen Mitteln zusammengehalten hatte, war ein gebrochener Mann, der in Merlins Kammer in geistiger Umnachtung dahindämmerte. Dieser Verlust offenbarte gnadenlos die Führungsschwäche König Arturs, der wie kein zweiter das Sinnbild für Freiheit und Gerechtigkeit dargestellt hatte. In diesen dunklen Stunden hätte der König vor seine Tafelrunde treten müssen, um sich mit offenen Worten an seine Ritter zu wenden. Denn der Feind stand – zumindest im Moment – nicht im Osten, sondern befand sich innerhalb der Burgmauern. Und er hatte viele Namen: Eigensinn, Neid und Misstrauen. Die Disziplinlosigkeit der Knappen war ein Ergebnis dieser Veränderung und sie offenbarte nur, was Gwyn schon länger vermutete: Der Fisch stank vom Kopf her.
Die Schwäche des Königs spiegelte sich im Verhalten seiner Ritter wider. Mit Ausnahme von Tristan und Lancelot ging keiner mehr seinen Pflichten nach.
Gawains Trunksucht hatte beängstigende Ausmaße angenommen. Immer öfter sah man ihn betrunken bei den Stallungen sitzen, ungewaschen und stinkend wie ein Bückling, der zu lange in der Sonne gelegen hatte.
Gareth und Gaheris hatten eine Zeit lang versucht, ihren Bruder von diesem unwürdigen Tun abzuhalten, doch es war, als ob der Alkohol jeden Lebenswillen des immer fettleibiger werdenden Mannes fortgespült hätte.
Es war ein wahrhaft entwürdigendes Schauspiel, das Gawains Knappe Benedict mit kühlem Blick und wachsender Verachtung verfolgt hatte. Der Respekt für seinen Herrn war ihm schon vor längerer Zeit abhanden gekommen, und das Mitleid, das ihm von einigen anderen Knappen entgegengebracht wurde, hatte die Sache keineswegs besser für ihn gemacht.
Das Maß musste für ihn voll gewesen sein, als man den sturzbetrunkenen Gawain eines Morgens lallend und singend in der Jauchegrube fand, denn am selben Tag war Benedict einfach davongeritten. Man vermutete, dass er sich auf den Weg zurück in seine schottische Heimat gemacht hatte.
Es war bezeichnend für den Zustand der Tafelrunde, dass ihn niemand aufgehalten hatte. Dass ein Knappe seinen Herrn verließ, war das größte Vergehen, dessen er sich schuldig machen konnte, und wurde hart bestraft. In besonderen Fällen drohte der Tod durch das Schwert.
Doch niemand kümmerte, dass Benedict ohne ein Wort des Abschiedes gegangen war. Manche äußerten nicht nur Verständnis für diese Tat, sondern kündigten an, es Gawains Knappe bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit gleichzutun.
Die Geheimnisse des Grals
„Um Himmels willen, du siehst aus, als hätte dich der Huf von Lancelots Schlachtross mitten ins Gesicht getroffen“, sagte Katlyn, als sie vorsichtig den Verband von Gwyns Gesicht entfernte. Dabei verzog sie das Gesicht, als spürte sie und nicht er den furchtbaren Schmerz, den diese Prozedur verursachte.
Gwyn tastete nach dem blank polierten Silberteller, den Katlyn als Spiegel benutzte, und sah hinein. Beim Anblick seines Ebenbildes erschrak er. Unter den zugeschwollenen Augen hatten sich blaue Flecken ausgebreitet, die an ihren Rändern violett und gelb schillerten. Die Nase selbst war am heftigsten in Mitleidenschaft gezogen worden. Dank Merlins schmerzhaften Eingriffs wirkte sie zwar noch immer gerade,
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