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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Augen zu hören und mit den Ohren zu sehen. Das Lied nahm ihn bei der Hand und führte ihn fort an einen Ort, der so sicher und friedlich war, dass Gwyn vor Erleichterung seufzen musste. Mit einem Mal hatte er das Gefühl, seiner Mutter so nah wie noch nie in seinem Leben zu sein.
    Als die Frau ihr Lied beendet hatte, ging sie auf Gwyn zu und fiel vor ihm auf die Knie. Erst jetzt erkannte Gwyn, wer sie war.
    „Ihr seid Gilda, Daffydds Gemahlin“, sagte er überrascht und zog die Frau wieder auf die Füße.
    „Und ich war die Zofe Eurer Mutter“, sagte sie.
    „Es war, als würde ich dieses Lied seit Ewigkeiten kennen.“
    Gilda lächelte. „Ich habe es immer gesungen, als Eure Mutter guter Hoffnung mit Euch war. Vielleicht habt Ihr es damals schon gehört und Euch jetzt daran erinnert.“
    Daffydd trat zu Gwyn und machte eine einladende Geste mit der Hand. „Wenn ich Euch nun die Burg zeigen dürfte?“
    Im Palas herrschte reges Treiben. Viele Hände waren mit den Vorbereitungen eines Festes beschäftigt. Gwyn wollte einen Blick in die große Halle werfen, doch Daffydd schob ihn an der Tür vorbei. „Zu Euren Gemächern geht es da entlang.“ Er zeigte auf eine Treppe, die zum großen Turm führte.
    Mit offenem Mund schaute Gwyn sich um. Er erkannte Dinas Emrys nicht wieder. Der Hofmeister hatte zusammen mit den zahllosen Helfern beinahe Übermenschliches geleistet. Im Inneren der Burganlage waren in der kurzen Zeit die meisten Schäden beseitigt worden, die Mordreds Überfall hinterlassen hatte. Kein Schutt war mehr zu sehen. Alles war in ein Licht von aberhundert Kerzen getaucht, die links und rechts auf jeder zweiten Treppenstufe standen. Nach all den Jahren der Dunkelheit dürsteten die Menschen nach Licht.
    Während sich die Ritter mit den Knappen ihre Unterkunft teilen mussten, so auch Lancelot und Rowan, war einzig Katlyn und Gwyn der Luxus eines eigenen Gemachs vergönnt.
    Gwyns Gemach besaß geradezu verschwenderische Ausmaße. Der Dielenboden war mit Bärenfellen ausgelegt und an den Wänden hingen kostbare Teppiche.
    Im vorderen Raum stand ein riesiges Bett. Mit seinen Kissen und Decken war es so einladend, dass sich Gwyn am liebsten sofort hineingelegt hätte. Abgesehen von einigen Truhen sowie zwei Kandelabern war es das einzige Möbelstück im Raum. Gwyn öffnete die Tür, die ins nächste Zimmer führte, und blieb überrascht im Rahmen stehen.
    „Es ist das Arbeitszimmer Eures Vaters gewesen“, sagte Daffydd. „Wir haben versucht, es ebenso wie den Rest der Burg in den alten Zustand zurückzuversetzen.“
    Gwyn trat zu einem weit ausladenden römischen Schreibtisch, dessen Platte aus Kirschholz in der Mitte gerissen, jedoch fachmännisch repariert worden war. Dahinter stand ein Sessel, der ebenso alt wie der Tisch sein musste. Daffydd entzündete an der brennenden Kerze, die er in der Hand hielt, eine Öllampe.
    „Vielleicht wollt Ihr Platz nehmen?“, fragte er vorsichtig.
    Gwyn setzte sich langsam und bedächtig. Der Sessel fühlte sich bequemer an, als er aussah. Er schaute sich um. An den Wänden standen einige Regale, die meisten der Böden waren jedoch leer.
    „Viel ist auch hier nicht übrig geblieben“, sagte Daffydd voller Bedauern. „Die meisten Dokumente und Aufzeichnungen sind wie so vieles damals den Flammen zum Opfer gefallen und somit unwiederbringlich verloren.“
    „Ein wunderbarer Platz für deine neue Bibliothek“, sagte eine Stimme von der Tür her.
    „Katlyn!“, rief Gwyn und sprang auf. Sie hatte sich so gründlich gewaschen und geschrubbt, dass ihre Wangen rot leuchteten. Das Kleid, das sie jetzt trug, war aus blauem Samt, der Saum mit Goldbrokat abgesetzt. Ihr langes blondes Haar wurde von einer silbernen Spange zusammengehalten, die Füße steckten in leichten Lederschuhen. Für einen Moment stockte Gwyn der Atem, dann hatte er sich wieder gefangen. „Wie gefällt dir deine Kammer?“, fragte er.
    „Sie ist groß! Größer als meine Behausung in Camelot“, sagte Katlyn beeindruckt. Sie nahm eines der angekohlten Pergamente aus dem Regal und betrachtete es traurig. „Der Rest einer Abschrift über das Theater von Aristoteles. Kaum noch zu lesen.“ Sie legte es wieder zurück.
    „Wie viele der Bücher hast du aus Camelot retten können?“, fragte Gwyn.
    „Nur einige wenige“, antwortete sie bedrückt. „Die meisten musste ich zurücklassen.“
    „Ich würde mich freuen, wenn sie hier eine neue Heimat fänden“, sagte Gwyn.
    Katlyn strich mit der Hand

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