Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
sagen.“
„Aber, was sollen wir tun?“ St. Claire war jetzt der Panik nahe.
„Wir ziehen nach Westen.“
Der Hauptmann riss die Augen auf. „Nach Westen?“
„Manchmal müssen wir einen Umweg machen, um unser Ziel schneller zu erreichen.“
Der Hauptmann starrte Guillaume entgeistert an, der nun mit blutverschmierter Hand sein Silbermedaillon umklammerte, das er an einer Kette um den Hals trug.
„Geht jetzt und holt den Wundarzt. Sonst werde ich die nächste Nacht nicht überstehen.“
St. Claire verneigte sich. „Sehr wohl, Sire“, stammelte er und eilte davon.
Guillaume schloss die Augen. Er hoffte, dass die Aufzeichnungen Recht behielten. Wenn sich alles nur als ein altes Familienmärchen entpuppte, waren alle Anstrengungen umsonst gewesen.
Die Reise nach Cadbury war eine einzige Tortur. Zwar war es dem Wundarzt gelungen, die Blutung zu stillen, doch hatte sich die Wunde infiziert. Immer höher stieg das Fieber und trotzdem trieb Guillaume seine Leute zur Eile an. Schließlich erreichten sie nach drei Tagen das kleine Dorf. Doch anstatt dort ein Lager zu errichten, befahl er seinen Leuten weiter zu einem kleinen Hügel zu ziehen, der sich im Südwesten befand. Zum Erstaunen seines Hauptmannes konnte Guillaume die Lage einer Quelle genau bestimmen, obwohl er noch nie zuvor in seinem Leben an diesem Ort gewesen war.
„Glaubt mir, St Claire. Ich fantasiere nicht. Gebt mir von dieser Quelle zu trinken.“
„Und dann?“
„Dann betet für mich“, sagte Guillaume matt.
Sie bauten eine Bahre für den verletzten Heerführer, denn obwohl er St. Claire vertraute wie seinem eigenen Bruder, wollte er sicher sein, tatsächlich aus der Quelle zu trinken. Sie war in dem Buch beschrieben, das wie das Medaillon mit dem Einhorn seit über fünfhundert Jahren im Besitz seiner Familie war.
Es war nur ein dünnes Rinnsal, das aus einem schmalen Spalt in der Flanke des Hügels floss. Guillaume bekreuzigte sich und setzte sich mit letzter Kraft auf.
„Sagt, St. Claire, glaubt Ihr an den Gral?“
Der Hauptmann starrte seinen Herrn an, als hätte dieser nun vollkommen den Verstand verloren. „Ich kenne die Legende“, stotterte er. „Aber an sie glauben? Nein, das würde ich nicht sagen.“
Guillaume lächelte. „Seht Ihr, ich glaube an den Gral. Das unterscheidet uns beide. Und dieser Glaube wird mein Leben retten.“ Er ging in die Knie, schöpfte das Wasser und trank es aus der hohlen Hand. Dann legte er sich seufzend ins Gras und schlief fast auf der Stelle ein.
„Es ist ein Wunder“, sagte der Wundarzt kopfschüttelnd, als er am anderen Morgen Guillaumes Verletzung untersuchte. „Sie ist zwar nicht vollständig verheilt, aber sie sieht bei weitem besser aus als gestern. Mit Verlaub, ich spielte schon mit dem Gedanken, den Priester zu holen, damit er Euch die Letzte Ölung gibt.“
„Gut, dass Ihr das nicht getan habt“, sagte Guillaume mit fester Stimme. „Denn noch bin ich zum Sterben nicht bereit. Habt Ihr es schon vergessen? Ich habe ein Land zu erobern.“ Mit diesen Worten knöpfte er sein Hemd zu und stand auf.
„Es ist ein Wunder“, wiederholte der Wundarzt, als Guillaume vor sein Zelt trat. Als er jedoch merkte, was sein Herr gerade tat, war er sofort auf den Beinen. „Ihr müsst noch ruhen! Die Verletzung…“
„Ihr habt gerade selbst gesagt, dass sie so gut wie verheilt ist“, schnitt ihm Guillaume das Wort ab. „So, und nun lasst mich einen Spaziergang machen.“
„Einen Spaziergang? Das ist nicht Euer Ernst!“ Er drehte sich zu St. Claire um, der die Untersuchung mit wachsender Verwunderung verfolgt hatte. „Hauptmann, redet ihm das aus!“
Guillaume hob drohend den Zeigefinger und St. Claire zuckte hilflos mit den Schultern. „Er ist der zukünftige König von England. Er kann tun, was ihm beliebt.“
„Danke, mein Freund. Genau das habe ich hören wollen.“ Guillaume hob eine Tasche. „Wartet nicht mit dem Essen auf mich.“
Es war ein wundersamer Anblick, der sich ihm bot, als er einen schmalen Weg den Hügel hinauflief, den eine mächtige, bald tausend Jahre alte Linde krönte. Hier hatte sie stattgefunden, die Schlacht zwischen Mordreds Männern und den letzten Rittern der Tafelrunde. Dort unten war noch immer der Wald, in dem Gwydion Desert seine Frau Katlyn kennengelernt hatte, die ihm ein halbes Dutzend Kinder gebären sollte. Fünfhundert Jahre waren seitdem vergangen, doch an diesem Ort war die Geschichte immer noch gegenwärtig. Von Camelot war
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