Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
hervorstachen.
„Ich werde mich darum kümmern“, sagte Lancelot.
„Ich werde Euch begleiten.“ Gwyn schaute in die Runde. „Alle anderen treffe ich in Anderida. Von da aus setzen wir über nach Breizh.“
Betretenes Schweigen war die Antwort.
Gwyn gab sich einen Ruck und holte tief Luft. „Dann lasst uns aufbrechen.“
Der See lag wie ein smaragdener Spiegel vor ihnen. Eine Zeit lang starrte Gwyn auf das Wasser, das sich trotz des Windes, der in den Bäumen rauschte, unbewegt und starr vor ihnen ausbreitete. Es war ein friedlicher Ort. Gwyn hatte ihn immer gemocht. Nun aber hatte er Angst vor dem, was kommen würde, als er vom Pferd stieg und zum Ufer hinunterging.
„Würdet Ihr bitte Eure Mutter rufen?“, sagte Gwyn und umklammerte Excalibur fester.
„Das habe ich bereits getan“, sagte Lancelot.
„Aber warum ist sie dann noch nicht erschienen?“
„Sie hat uns gehört“, beruhigte ihn Lancelot. „Sie wird kommen.“
Gwyn stieß einen Seufzer aus und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Nicht eine einzige Welle kräuselte sich auf dem Wasser. Er scharrte mit den Stiefeln herum und bückte sich, um einen besonders runden und glatten Stein aufzuheben.
„Das würde ich an deiner Stelle nicht tun“, rief ihm eine Stimme von der anderen Seite des Sees zu. „Evienne mag es nicht, wenn man mit Steinen nach ihr wirft.“
Gwyn blickte auf.
„Merlin!“, entfuhr es ihm und eine unbändige Wut stieg in ihm auf. „Was wollt Ihr hier? All die Zeit habt Ihr Euch nicht blicken lassen und nun wollt Ihr Euch an meiner größten Niederlage ergötzen?“
„Glaub mir, all das schmerzt mich mindestens genauso wie dich.“
„Die Leute haben Recht mit dem, was sie über Euch sagen!“
„Und was sagen sie, die Leute?“
„Dass Ihr ein gefährlicher, ränkesüchtiger Strippenzieher seid. Warum ist dies alles geschehen?“
„Mir ging es in all den Jahren nur darum, dich vor Mordred zu schützen.“
„Und mich zu Arturs Nachfolger zu machen!“
„Natürlich. Erinnere dich: Man sagt mir auch nach, dass ich ein Königsmacher sei. Doch bevor ich dich auf den Thron setzen konnte, musste ich die Gewissheit haben, dass du dieser Aufgabe gewachsen bist. Doch zum ersten Mal muss ich zugeben, dass ich mich vielleicht getäuscht habe. Die Aufgabe war wohl zu groß.“
„Ja, vielleicht habt Ihr dieses Mal mehr abgebissen, als Ihr schlucken konntet. Denn wie sich herausstellt hat, habe ich als König versagt.“
„Nein, das glaube ich noch nicht einmal nach den Ereignissen bei der Brücke. Du hast das getan, was du tun musstest. Und du hast dich am Ende zur Kapitulation entschieden. Eine Entscheidung, die nicht unbedingt auf große Begeisterungsstürme stoßen mag. Dass du dennoch zu ihr stehst, beweist deine Größe.“
„Ihr habt mit dem Jungen gespielt“, rief Lancelot empört und stieg von seinem Pferd ab.
„Nein, wir haben mit ihm gespielt“, sagte Merlin. „Als es darum ging, Gwydion zu beschützen, habt Ihr mit mir und Humbert diesen Plan ausgearbeitet. Neben Valerias Ritter wart Ihr der Einzige, der wusste, wo Gwyn war und welche Rolle er noch spielen sollte.“
„Daran kann ich mich nicht erinnern.“
„Zu Eurem Glück, denn Ihr seid, nachdem Ihr Camelot verlassen habt, Mordred in die Hände gefallen. Vierzehn Jahre lang hat er Euch gequält. Die Verletzungen am Körper waren schlimm, doch der Schaden, den Eure Seele dabei erlitten hat, war so groß, dass ich Euch nur habe retten können, indem ich Eure Erinnerung an diese Jahre komplett auslöschte. Aber da war mir bereits der erste Fehler unterlaufen: Die Behandlung war noch nicht abgeschlossen, als Ihr verschwandet. Erst als Gwyn Euch fand, konnte ich Euch endgültig retten.“
„Was ist mit dem Gral?“, rief Gwyn zu Merlin herüber.
„Oh, der Gral ist ein überaus wirksames Wunderding“, antwortete Merlin. „Aber man muss an ihn glauben, wenn er seine Wirksamkeit entfalten soll. Kann es sein, dass du vielleicht diesen Glauben verloren hast?“
Gwyn wollte etwas darauf erwidern, fand aber nicht die richtigen Worte. Hatte er den Glauben wirklich verloren? Und wenn ja: Wann war das geschehen? Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte ihn verloren, als er Mordred getötet und damit auch Arturs Ende besiegelt hatte. Seine eigene Schuld hatte jedem Glauben und jeder Zuversicht ein Ende bereitet.
„Doch vielleicht gibt es ja noch einen anderen Grund“, sagte Merlin. „Möglicherweise ist die Zeit der Magie
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