H2O
zusammengewürfelte Erscheinungsbild: moderne Wohnblocks, die von kleinen Verkaufsständen gesäumt wurden, Kuppeln von Moscheen neben der aggressiven Werbung für Bratspieße und Reis, die die Händler in ihren Garküchen anboten, und chinesische Geschäfte, die am Tag hell erleuchtet waren. Sein Chauffeur lenkte den Wagen geschickt vorbei an anderen Autos und seltsamen dreirädrigen Vehikeln, die ständig die Spur wechselten.
Sénéchal faszinierten die indonesischen Frauen mit den dreieckigen Gesichtern und breiten Stirnen, die Gleichgültigkeit ihrer Blicke, ihre zu einem Knoten frisierten Haare, die Schleier der Musliminnen. An einer roten Ampel beobachtete er einige Männer, die ihre Zigaretten äußerst seltsam hielten, als wären es kleine Blasrohre. Alte und junge Männer, die Turbane vorne geknotet, bahnten sich ihren Weg zwischen den kauernden Bettlern oder den Obsthändlerinnen, die mit kegelförmigen Hüten vor ihren improvisierten Verkaufsständen saßen. Offenbar trugen die meisten Männer hierzulande eine bis über die Knöchel hochgerollte Hose, eine schwarze Jacke mit vielen Knöpfen, ein weißes Hemd und eine bestickte Weste. Unter den Kopfbedeckungen dominierten der Fes und das Käppi, während Flip-Flops die nationale Fußbekleidung zu sein schienen. Als sie dann aber durch andere Viertel fuhren, musste Sénéchal sein Urteil revidieren: Hier sah man vor allem die Dschellabas, die großen steifen Strohhüte und die bunten Turbane der Hindus. Bewaffnete Soldaten, die zu zweit auf Motorrollern oder in Halbkettenfahrzeugen patrouillierten, verliehen diesem bunten Treiben eine bedrückende Note.
Als sie sich dem Geschäftsviertel näherten, setzte Sénéchals Gedächtnis plötzlich aus, und er fragte sich, warum er eigentlich in diese Stadt gekommen war.
Ein etwa sechzigjähriger Chinese mit grauem, nach hinten gekämmtem Haar öffnete dem Inspektor die Tür. Er wirkte sehr elegant in seinem hellen Anzug mit der roten, sorgfältig gebundenen Krawatte. Eine tiefe Narbe zog sich über seine linke Wange bis zum unteren Augenlid.
Sénéchal fragte:
»Monsieur, ähm, Xi Ping Zhu?«
Der Chinese lächelte und streckte ihm seine gepflegte Hand entgegen.
»Absolut korrekt ausgesprochen, Monsieur Sénéchal. Herzlich willkommen. Bitte nehmen Sie Platz.«
Das Arbeitszimmer des Generaldelegierten des UNEP war geräumig und enthielt nur wenige Möbel. An der Wand befand sich ein großes Logo der Vereinten Nationen. Auf einer mit blauen Punkten gespickten Weltkarte war zu lesen: Das Wasser ist die unersetzliche Grundlage für unser Leben und das unseres Planeten. Ein Teakholztisch von beeindruckender Größe diente als Schreibtisch. Darauf standen ein Computer und verschiedene Gegenstände, darunter die üblichen Familienfotos sowie ein gelber Aktenordner. Durch das Fenster hinter dem Schreibtischsessel sah man auf die Hochhausblocks und den von gelbem Smog verhüllten weißen indonesischen Himmel.
»Ich danke Ihnen, dass Sie die weite Reise auf sich genommen haben, um uns zu helfen, Monsieur Sénéchal.«
Xi Ping Zhu lehnte sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Hände unter dem Kinn und musterte seinen Besucher einen Moment lang. Dann begann er:
»Sie kennen unsere Rolle. Sie sind selbst Teil dieses Systems ... da Sie ja in Ihrem Land für die Durchsetzung der Umweltgesetze sorgen. Es mag Sie erstaunen, aber unsere Mission ist es, Gutes in der Welt zu tun. Für die Zukunft dieses Planeten zu sorgen trotz des Wahnsinns und der Gier der Spezies Mensch. Allerdings sind wir auch eine bedeutende Finanzgesellschaft, das dürfen Sie nicht außer Acht lassen. Für unsere Arbeit stehen uns beträchtliche Gelder zur Verfügung. Sie sind unter anderem dafür bestimmt, Projekte zu finanzieren.
Auf internationaler Ebene wird sich unsere Tätigkeit in diesem Jahr auf das Wasserproblem konzentrieren. In zwanzig bis dreißig Jahren wird auf der Welt ein Drittel des Trinkwassers verschwunden sein. Und man schätzt, dass noch vor dem Jahr 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung kein Trinkwasser mehr zur Verfügung haben wird ... Wussten Sie, dass heute schon fast die Hälfte der Afrikaner auf ihrem Kontinent keinen Zugang zu sauberem Wasser hat?«
»Verschwunden? Ach ... und wohin?«
»Belastet, verschmutzt. Also nicht mehr zum Genuss geeignet. Es gibt auf der Erde nicht genug Wasser, um alle Gifte, die der Mensch ihm hinzufügt, zu absorbieren und zu neutralisieren. Wir müssen unter allen Umständen
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