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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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Schutz eine Spezies genießt, desto wertvoller wird sie - und desto interessanter ist sie folglich für Schwarzhändler.«
 
    Der Umweltinspektor warf dem Chinesen einen fragenden Blick zu.
    »Was ist das?«
    »Nun, ich bezeichne es - in aller Unbescheidenheit - als die drei Prinzipien des Xi Ping Zhu. Ich gebe diese Lektion allen Beamten und Wirtschaftsakteuren mit auf den Weg, die an Umweltprojekten mitarbeiten. Ich habe mir erlaubt, das Blatt auch dieser Akte beizufügen. Mein Credo lautet: Innerhalb der nächsten Generation lässt sich die Umweltsituation weltweit noch verändern, in zwei Generationen wird dies nicht mehr möglich sein. Wissen Sie, manchmal träume ich davon, den Aufgabenbereich des UNEP zu erweitern und ›Grünhelme‹ in manche Länder zu schicken ...«
    »Grünhelme?«
    »Als Äquivalent zu unseren Blauhelmen. Sie wären dann allerdings für den Schutz der Natur zuständig, würden sich zwischen den Menschen und die Natur stellen. Ihre Aufgabe wäre es, über die Umwelt zu wachen und im Fall von Delikten auszusagen. Bei Verbrechen etwa, wie sie von bestimmten Firmen an dem Primärwald begangen werden, der Tausenden von Spezies einen Lebensraum bietet.«
    »Und auch im Fall der ›unterlassenen Hilfeleistung gegenüber gefährdeten Spezies‹?«
    »Zum Beispiel ... Aber lesen Sie weiter, Monsieur Sénéchal. Meine Grünhelme sind nichts weiter als das Hirngespinst eines Beamten, der sich gelegentlich frustriert fühlt.«
 
    Die nächste Mappe enthielt ein großes Hochglanzfoto. Es zeigte eine Gruppe von Frauen und Männern, die auf der Freitreppe eines imposanten Anwesens im Kolonialstil standen. In der Mitte der ersten Reihe erkannte Sénéchal seinen Gesprächspartner, den Generaldelegierten mit der Narbe. Rechts von ihm stand ein etwa vierzigjähriger schmächtiger Mann, eingezwängt in einen gut geschnittenen Anzug. Seine behandschuhten Hände umklammerten den Griff eines Taschenschirms. Er trug ein altmodisches Hemd mit roten Streifen und einem abnehmbaren weißen Kragen, dazu eine schlichte Krawatte. Sein schwarzes glänzendes Haar war gescheitelt und sorgfältig zur Seite gekämmt, was an eine Frisur der Zwanziger Jahre denken ließ. Über seinen Kopf war mit rotem Kugelschreiber ein Kreuz gezeichnet. Der Blick des Mannes schien sich in der Ferne zu verlieren. Sénéchal fragte sich, ob dies ein Zeichen von Besorgnis oder eine affektierte Pose war.
    »Von wann ist dieses Foto?«
    »Aus dem vergangenen Jahr. Ich hatte die gesamte Delegation zum Essen in ein gutes Restaurant eingeladen, um den Abschluss eines Projektes zu begehen, das uns sehr am Herzen lag ...«
    »Welches Projekt?«
    »Wir hatten die indonesische Regierung dazu bewegen können, neue Naturschutzgebiete zu schaffen, um auf diese Weise einen Teil der einzigartigen Fauna und Flora dieses Archipels zu retten. Solche Gebiete gibt es mittlerweile. Einige sind äußerst schwer zugänglich, bei anderen ist der Zutritt sogar gänzlich verboten. Dazu können wir uns wirklich beglückwünschen.«
    Der Inspektor zog seine Halbbrille hervor und näherte sie dem Foto, um das Gesicht des Verstorbenen durch diese improvisierte Lupe zu betrachten. Er musterte die sensiblen Züge, die hohen Wangenknochen und den bitteren Zug um den Mund. Eine einzige Falte lief über die Stirn.
    »Ich würde sagen, er war ein sehr ernsthafter Mensch.«
    »In der Tat. Man kann nicht behaupten, dass Shafik besonders ... mitteilsam gewesen wäre. Es fehlte ihm aber keineswegs an Humor. An diesem Tag war er eigentlich sehr zufrieden, zeigte es jedoch nicht. Er hatte sich sehr um das Projekt zur Schaffung von Schutzgebieten verdient gemacht ...«
    »Er ist der einzige der Gruppe, der einen Regenschirm bei sich hat.«
    »Das zeigt, dass er der Umsichtigste in unserem Team war. Hier beginnt es immer zu regnen, wenn man am wenigsten damit rechnet ...«
    Sénéchal steckte seine Brille wieder ein und blätterte die Akte rasch weiter durch. Plötzlich fiel sein Blick auf einen Namen, der ihm mittlerweile gut bekannt war.
 
    Im Rahmen eines Programms der »Erdsimulation«, das vom Japanischen Institut für Wissenschaft und für Technologie und Evaluation ausgeschrieben wurde, hat die Takenushi Corporation mit dem schnellsten »Supercomputer« der Welt das Rennen gemacht. Die erste Generation dieses Riesenrechners wird die Bilder von den Erdbeobachtungsstationen verwenden und soll die Simulationsmodelle optimieren und validieren, um langfristig die Erschaffung

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