H2O
Kanister mit Totenkopf geladen.«
»Ja ... ja ... und was war in diesen Kanistern mit den Totenköpfen?«
»Wasser.«
»Wie bitte?«
»Ganz normales Wasser. Es enthält Kalzium, Magnesium, Natrium, Kalium, Bikarbonat, Sulfate, Chloride, Nitrate und Spuren eines klassischen Düngemittels ... H2O. Zwei Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom. Als Chemiker begeistert es mich immer wieder, welche Liebe der Wasserstoff dem Sauerstoff entgegenbringt ...«
»Du willst also sagen, dass sich in den Kanistern ziemlich genau das befand, was jede Flasche Mineralwasser aus dem Supermarkt an der Ecke enthält?«
»Ja. Zusammen mit Spuren von Düngemittel. Was darauf hinweist, dass dieses Wasser durch landwirtschaftliches Gebiet geflossen sein muss ...«
»Das ist nicht möglich! Das kann nicht alles sein, ich hab es im Gefühl ...«
»Hör mir mal gut zu, Pierre: Du wirst dir diese Detektivgeschichten aus dem Kopf schlagen müssen, in denen ein Glas Wasser die Lösung aller Fragen enthält ... Vielleicht sind zehn Gramm aufgelöstes Morphin darin, aber ich werde es nicht feststellen! Bei einer Analyse findet man nämlich nur das, wonach man sucht! Also sag mir doch einfach, wonach ich suchen soll!«
»Du bist doch der Chemiker, Herrgott noch mal! Such nach etwas anderem, nicht nach den üblichen Dingen. Wonach, kann ich dir auch nicht sagen - nach irgendwelchen merkwürdigen Substanzen eben. Einzeller, Shampoo, rote Fische, Mandelsirup ... Gib es in andere Labore, wenn diese verdammten Idioten - die längst aufs Altenteil gehören - in der Brühe nichts anderes finden als Kalzium und Bikarbonat!«
»Pierre, du wirst richtig unleidlich. Lass mich dir sagen ...«
»Such, Lucrèce, such!«
Sénéchal klappte sein Handy einfach zu und warf einen Blick auf den Oberleutnant, der soeben mit halb geschlossenen Augen dazu ansetzte, einen langen Tankwagen links zu überholen.
Sénéchal zuckte mit den Schultern. Mit Lucrèces intellektuellen Fähigkeiten ging es immer mehr bergab ... Armer Junge.
22
Sie öffnete die Tür und musterte den hünenhaften Besucher, der einen ziemlich erschöpften Eindruck machte. Das beigefarbene Köfferchen in seiner Pranke wirkte wie Kinderspielzeug.
»Sie sind wohl der französische Polizist. Monsieur Zhu hat mir Ihren Besuch angekündigt.«
Sénéchal brauchte eine Sekunde, bis ihm auffiel, dass sie ihn in seiner Sprache begrüßt hatte.
Madame Mahakam war eine zierliche, scheu wirkende Frau von etwa vierzig Jahren mit kurz geschnittenem weißen Haar. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und trug winzige silberne Ohrringe. Die schmalen Augen in dem glatten, blassen Gesicht blickten den Inspektor unverwandt an. Er fragte sich, ob sie zornig, unglücklich oder beides war.
»Sie sprechen fließend Französisch, Madame?«
»Aber lange nicht so gut wie mein Mann. Übrigens ist das kein besonderes Verdienst, ich bin Übersetzerin. Dreisprachig.«
Sie betrachtete den schwarzen Geländewagen, der auf dem Bürgersteig gegenüber abgestellt war. Dann trat sie zur Seite, um den Umweltinspektor hereinzulassen.
Hinter ihr im Flur stand ein hagerer Junge in Jeans mit übergroßen weißen Turnschuhen an den Füßen. Über seinem T-Shirt trug er einen viel zu weiten Nylonblouson. Sein Haar war pomadisiert und sorgfältig zurückgekämmt. Seine Hände steckten in den Taschen seiner Jacke. Als er Sénéchal sah, nahm sein Gesicht einen feindseligen Ausdruck an. Er fragte schroff:
»Sind Sie Offizier, Monsieur?«
»Nein ... Warum?«
Der Junge musterte ihn irritiert. Seine Augen waren nur noch zwei winzige Schlitze.
»Ich dachte, bei der westlichen Polizei dürfen nur Offiziere so weit reisen. Wieso interessiert Sie der Tod meines Vaters?«
Bevor Sénéchal antworten konnte, sagte die Frau etwas auf Indonesisch in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. Der Junge drehte sich um und verschwand. Sie wirkte bekümmert.
»Ich hoffe, Sie können Lang verzeihen, Monsieur ... Er ist sehr, sehr erschüttert ...«
»Ich verstehe, Madame, und ich werde Sie auch nicht lange stören. Trotzdem muss ich Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Sie ließ ihn ins Wohnzimmer eintreten. Der Raum wirkte behaglich. Auf einem Wollteppich mit fernöstlichen Motiven standen drei Sessel. An den Wänden hingen eingerahmte Seidenmalereien, auf denen groteske oder erschreckende Gestalten dargestellt waren - klassische Figuren der indonesischen Sagenwelt. Auf einem Büfett niederländischen Ursprungs thronten drei
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