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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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javanische Marionetten in schwarzen gold- und silberdurchwirkten Samtgewändern, die Sénéchal aus ihren schmalen Augen zu beobachten schienen. In einer Nische des Raumes entdeckte der Inspektor einen Miniaturschrein mit Opfergaben und einer roten Kerze. Daneben standen ein bronzener Buddha und kleine tönerne Figuren. Sénéchal bemerkte auch ein Foto, das den lächelnden Ehemann mit seiner altmodischen Frisur zeigte.
    Madame Mahakam deutete auf einen der Sessel. Sénéchal zückte sein Notizbuch und seinen Stift. Er stellte ihr zahlreiche Fragen, deren Sinn sie nicht immer begriff, die sie aber, so gut sie konnte, mit ruhiger Stimme beantwortete. Zum Abschluss wollte er wissen:
    »Man hat mir bei UNEP gesagt, Ihr Mann hätte eine gewisse Zeit zu Hause gearbeitet. Dürfte ich sein Büro sehen?«
    Sie zögerte.
    »Tut mir leid, aber die Zugehfrau ist seit dem Tod meines Mannes nicht mehr gekommen ... Jetzt ist es dort sehr schmutzig.«
    »Ich würde trotzdem gern einen Blick hineinwerfen.«
    Sie hob die Augen zur Decke.
    »Tidak ada masala!«
    »Wie bitte?«
    »Das bedeutet: ›Kein Problem.‹ So könnte übrigens die Devise unseres Landes lauten.«
 
    Es roch muffig in dem Zimmer. Die Läden des einzigen Fensters waren geschlossen, und das Sonnenlicht drang nur spärlich durch die Ritzen. Seine Strahlen, in denen Staubpartikel tanzten, fielen auf die im Halbdunkel schimmernden Möbel. Sénéchal hatte sogleich bemerkt, dass alle Fenster im Erdgeschoss durch Eisengitter geschützt waren, was das Haus fast wie ein Gefängnis wirken ließ.
    Die Frau betätigte einen Schalter. Eine Stehlampe tauchte den Raum in goldenes Licht und hob die mit Teppichen bespannten Wände hervor. Das Mobiliar war bunt zusammengewürfelt - in der Mitte ein schlichter Tisch aus dunkelrotem Holz, auf dem ein schwarzes staubbedecktes Telefon stand, daneben ein Ohrensessel mit beigefarbenem Schonbezug, in einer Ecke eine Ledercouch mit ein paar Kissen, an der linken Wand ein Stuhl, vor einem geöffneten eleganten Sekretär zwei Lederpuffe, an der Wand daneben schließlich ein leeres Bücherregal, das Trostlosigkeit verbreitete.
    Madame Mahakam seufzte.
    »Ich war schon eine ganze Weile nicht mehr hier. Das alles macht mich einfach zu traurig. Ich schaffe es nicht einmal mehr, hereinzukommen und zu putzen.«
    »Wo sind seine Sachen geblieben? Seine Papiere, seine Bücher?«
    »Ich habe sie aussortiert. Alles, was mit seinem Beruf zusammenzuhängen schien, habe ich dem UNEP gegeben. Den Rest, die ... die persönlichen Dinge unseres gemeinsamen Lebens und den ganzen Behördenkram, habe ich natürlich aufbewahrt. Die Bücher und anderes habe ich weggeworfen. Oder verkauft.«
    »Alles?«
    Sie nickte.
    »Alles. Ich musste auch sein Auto verkaufen, um finanziell über die Runden zu kommen. Das verstehen Sie doch, nicht wahr? Monsieur, Sie können hier machen, was Ihnen für Ihre Arbeit sinnvoll erscheint. Nur eines möchte ich nicht: dass Sie die Fensterläden öffnen.« Ihre Stimme zitterte leicht. »Im Übrigen habe ich sie mit einem Schloss versehen. Ich will dieses Zimmer nicht mehr bei Tageslicht sehen. Selbst so nicht ... Fast leer ...«
    Sie deutete auf die Wände.
    »Er hat diese Teppiche anbringen lassen, um die Stimmengeräusche zu dämpfen, wenn er Gäste empfing. Um mich nicht zu stören, sagte er. Doch ich glaube, ihm ging es vor allem darum, dass man nicht hören konnte, was gesprochen wurde. Er hatte Angst, belauscht zu werden, am Ende jedenfalls.«
    »Selbst von Ihnen?«
    Sie sah ihn direkt an.
    »Von jedem.«
 
    Sénéchal schloss die Tür hinter sich. Sein Köfferchen stand geöffnet zu seinen Füßen. Er bemerkte, dass lediglich der Sessel mit einem Schutzbezug versehen war.
    Der Inspektor zog ein Paar Latexhandschuhe aus seinem Koffer, streifte sie über und schaltete seine winzige Taschenlampe an. Er sah sich sorgfältig um und vergewisserte sich, dass ihm beim ersten Rundblick nichts entgangen war. Dann trat er an den Tisch und ließ den Lichtstrahl über die Platte wandern. Die Staubschicht schien ihm ungleichmäßig. Wo mochte Shafik Mahakams Computer geblieben sein? Anschließend untersuchte er den Boden. Mit der Schuhspitze versuchte er die Latten zu bewegen und prüfte eine nach der anderen. Er drehte die Kissen um, tastete sie ab, spähte unter die Couch und entdeckte nur Wollmäuse. Dann drehte er die Puffe um, knetete sie, musterte eingehend die Unterseite des Stuhls und des Sekretärs, öffnete alle Schubladen und

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