H2O
Sénéchal ein Paar Latexhandschuhe aus seiner Tasche, nahm einen neuen Staubsaugerbeutel aus der Packung, die sich seit seiner Ankunft rasch geleert hatte, und verschwand dann mit seiner ganzen Ausrüstung wieder im Arbeitszimmer des Verstorbenen.
Der Inspektor trat mit dem Staubsauger vor den Sekretär, um mit der Spitze des Kugelschreiberröhrchens in die Ecken des Geheimfaches zu fahren und so sorgfältig die feine Spur des schwarzen, schimmernden Staubes aufzusaugen, dessen Widerschein er vorhin im Schein der Taschenlampe ausgemacht hatte. Dann zog er vorsichtig den Staubsaugerbeutel aus dem Gerät, knickte die Öffnung ein und faltete ihn fest zusammen. Er umwickelte das Ganze mit Klebeband und verstaute es in seinem Köfferchen. Er legte einen neuen Beutel ein und zog die kleinen oberen Schubladen heraus, fand aber keine Spur von schwarzem Staub darin.
Jetzt nahm er sich den Sessel vor, zog den Schonbezug ab und untersuchte ihn. Er ließ sich unter den Sitz gleiten und überprüfte die Mechanik im Lichtkegel seiner Lampe. Er ließ den Sessel hinauf- und hinunterfahren, sich drehen, rollen und überzog ihn wieder mit der Stoffhülle. Nachdenklich griff er zu seinem Handy und machte Fotos vom ganzen Raum. Dann schob er alle Schubladen wieder in den Sekretär. Als er, um sein Gewissen zu beruhigen, die Hand über die Unterseite der letzten gleiten ließ, spürte er unter seinem Zeigefinger etwas Spitzes. Ein Blutstropfen perlte über den weißlichen Handschuh.
Verblüfft drehte er die Lade um. In der Unterseite steckte eine Glasscherbe. Offenbar befand sie sich schon eine Weile dort und war - wohl wegen des häufigen Auf- und Zuziehens - tief in das Holz gedrungen. Es handelte sich um ein Mikroskopplättchen. Zwei Ecken waren abgesplittert, an einer hatte er sich verletzt. Darauf klebte ein rundes Plättchen aus hauchdünnem Glas. Etwas war im Zwischenraum von Scherbe und Plättchen eingeschlossen. Sénéchal nahm es näher in Augenschein.
Bräunliche, runde, winzige Körnchen, die wie feuchter Fischrogen aussahen.
Er zeigte Madame Mahakam die Glasscherbe. Nur mit Mühe hatte er sie aus dem Holz der Schublade ziehen können, ohne dass sie ein zweites Mal zersplitterte. Nun steckte sie in einem durchsichtigen Plastiktütchen. Die Witwe erklärte, sie wisse nicht, worum es sich dabei handeln könne. Der Inspektor bat sie, ihren Sohn zu holen. Immer noch mit finsterer Miene, kam der Junge die Treppe herunter. Erstaunt betrachtete der den Gegenstand in der Plastikhülle.
»Ganz klar, das ist ein Mikroskopplättchen. Doch ich habe keine Ahnung, was das für Körner sind. Wo haben Sie denn das gefunden, Herr Detektiv?«
Sénéchal überhörte den ironischen Unterton. Er befriedigte die Neugier des Jungen und fügte hinzu:
»Ich glaube nicht, dass jemand es verstecken wollte. Bestimmt ist es einfach hinter die Schublade gefallen, wurde dort eingeklemmt und hat sich dann mit der Zeit in das Holz gebohrt.«
Lang betrachtete den Fund des Ermittlers.
»Komisch, das Plastik ist jetzt beschlagen.«
Sénéchal hob das Tütchen an die Augen.
»Ja, du hast recht ... Sag mal, dein Vater hatte doch einen Computer? Was ist aus dem geworden? Ich müsste mir mal den Inhalt ansehen.«
Der Junge vergrub die Hände in den Taschen seines Nylonblousons und warf seiner Mutter einen Seitenblick zu. Sie antwortete an seiner Stelle:
»Monsieur, ich fürchte, Sie vergeuden hier Ihre Zeit. Der Computer meines Mannes wurde zusammen mit den übrigen Sachen entsorgt.«
Sénéchal musterte die beiden. Mit einem Mal fühlte er sich entmutigt und erschöpft.
»Sie haben seinen Computer verkauft?«
»Nein. Ich habe ihn weggeworfen. Ich wollte ihn nicht mehr sehen. Zusammen mit all seinen Sachen, seiner Kleidung ... Ich wollte nicht ...«
Sie schlug die Augen nieder.
»Sie haben ihn weggeworfen? Alles ist im Mülleimer gelandet? Wie lange ist das her?«
Mutter und Sohn beobachteten ihn. Der Junge runzelte die Stirn.
»Sie meinen, in einem Mülleimer auf der Straße? Nein ... Nein, das stimmt nicht. Ich nehme Sie mit.«
Sénéchal bemerkte den raschen missbilligenden Blick der weißhaarigen Frau.
24
Als Sénéchal zusammen mit dem Jungen das Haus der Mahakams verließ, stellte er überrascht fest, dass der schwarze Geländewagen des Oberleutnants nicht mehr auf dem Bürgersteig gegenüber parkte. Doch er ließ sich nichts anmerken.
Mit Schirmen bewaffnet, gingen sie schweigend über einen Pfad, der an einem
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