H2O
stellte fest, dass das Schloss der Klappe zerbrochen und das Holz ringsherum zersplittert war. Er leuchtete mit der Taschenlampe unter die Tischplatte, schob das leere Bücherregal zur Seite und fluchte:
»Mist! Nichts, aber auch rein gar nichts.«
Er stieg auf den Stuhl und untersuchte Meter für Meter die Wandverkleidung. Zuletzt nahm er sich die Vorhänge vor, warf einen Blick durch die Holzläden, sah aber nur ein Rasenstück - offenbar befand sich dahinter ein kleiner Garten - und auf der linken Seite einen grünen Lattenzaun, sonst nichts. Nun wandte er sich wieder dem Sekretär zu, zog ihn von der Wand weg und nahm die Rückseite unter die Lupe. Er tastete sie mit dem Zeigefinger ab, ließ die Hand über das polierte Holz gleiten, suchte einen Stempel oder eine sonstige Markierung und murmelte:
»Hm ... Falscher Louis XIV. Trotzdem antik ... Ein Hauch von Frankreich auf Java ... Unbestritten.«
Er zog die drei großen unteren Schubladen auf und untersuchte sie. Dann klappte er die mit einem Schloss versehene Platte aus Kirschbaumholz herunter und öffnete die oberen sechs kleinen Schubladen, die leicht klemmten. Ihm fiel auf, dass der Schlüssel der Klappe fehlte. Ob er wohl jemals gesteckt hatte? Dann entdeckte er das Geheimfach, verborgen hinter einer der Schubladen, ein klassisches Prinzip, das jedem Antiquitätenhändler und Liebhaber alter Möbel vertraut ist.
Das Geheimfach war völlig leer. Sénéchal stöhnte enttäuscht auf.
Der Schein seiner Taschenlampe traf auf etwas, das ihn stutzig machte.
23
Im Wohnzimmer blickte ihn Madame Mahakam neugierig an. Aus der Ferne ertönte, verstärkt durch Lautsprecher, der Ruf des Muezzins. Die Luft war stickig.
Sénéchal hatte seinen Kugelschreiber auf den Tisch gelegt und auseinandergeschraubt, um nur das durchsichtige Röhrchen zu behalten. Er hatte den Staubsauger, den die Witwe aus dem Wandschrank geholt hatte, geöffnet, den Papiersack herausgezogen, in den Mülleimer in der Küche geworfen und durch einen neuen ersetzt. Er hatte das Gerät einen Augenblick angeschaltet und das Ende des schwarzen Rohrs in die Luft gehalten, dann den neuen Sack entfernt und wieder einen neuen eingelegt.
Jetzt passte er das durchsichtige Röhrchen des Kugelschreibers mit Klebefolie an den äußeren Rand des Staubsaugerrohrs an. Madame Mahakam fiel auf, wie bedächtig und umsichtig er dabei zu Werke ging. Für einen Mann mit so großen Händen war er erstaunlich geschickt.
Ohne aufzublicken, fragte er plötzlich:
»Hier in Indonesien gibt es sicher nicht viele französische Möbel wie diesen kleinen Sekretär aus Kirschbaumholz im Büro Ihres Mannes. Nicht wahr, Madame Mahakam?«
»Das war ein Geschenk von Monsieur Rhaddiaunir, seinem Freund, der ... ähm ... verschwunden ist. Monsieur Rhaddiaunir hatte ihn per Schiff aus Frankreich geschickt. Mein Mann liebte alles, was aus diesem Land kam. Ich habe ihn behalten, weil ... eigentlich weiß ich gar nicht, warum.«
»Er ist leer.«
»Ich habe alles weggeworfen.«
»Bewahrte er Papiere darin auf?«
»Nur einen roten Aktenordner.«
»Was ist aus dem geworden?«
»Die Zugehfrau hat ihn mitgenommen.«
»Wie das?«
»Sie ist nach dem Tod meines Mannes nicht wiedergekommen. Ich habe bemerkt, dass sie das Schloss des Sekretärs aufgebrochen hat und dass der Ordner nicht mehr da war. Sie hat ihn gestohlen, weshalb, weiß ich nicht.«
»Sie hat nichts anderes gestohlen?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Hat Ihr Mann außer diesem Ordner noch etwas anderes in dem Sekretär aufbewahrt?«
»Nur alten Kram: Papier, Stifte, Gummibänder, Büroklammern ... Muscheln, Briefbeschwerer ... Er hatte den Schlüssel immer bei sich. Erst nach seinem Tod habe ich erfahren, was sich darin befand. Dabei war es im Grunde nichts Wichtiges ... Ich begreife nicht, warum er den Schlüssel so sorgfältig gehütet hat. Seine persönlichen Papiere verwahrte er in einem anderen Möbel, das ich ... das ich verkauft habe.«
Sénéchal musterte sie.
»Ein kostbares Geschenk, dieser Sekretär ... Warum war nur auf dem Sessel ein Schonbezug und nicht auf den anderen Möbeln? Haben Sie sie entfernt?«
»Nicht ich habe ihn angebracht. Das war mein Mann. Er glaubte, gegen den Stoff dieses Sessels allergisch zu sein. Er ... er bekam einen Ausschlag am Rücken. Kleine rote Flecken. Wie viele Menschen hier, die den Sarong tragen, arbeitete er während der Hitzeperioden manchmal mit nacktem Oberkörper an diesem Tisch.«
Wortlos zog
Weitere Kostenlose Bücher