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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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saß, abgeschnitten war. An einer der Seiten befand sich ein großer sternförmiger Sprung im Plastik. In der Mitte des Sprungs war ein Loch von der Größe und Form einer Olive. Lang riss die Augen auf.
    »Ich erinnere mich, dass meine Mutter und ich Sachen dort reingelegt haben ... Diese alte Dose schloss schlecht.«
    »Was für Sachen?«
    »Dinge, die wir in der Schreibtischschublade meines Vaters gefunden haben. Nichts Wichtiges. Die Jungen haben sich wohl genommen, was sie interessierte.«
    »Erinnerst du dich, was drin war?«
    »Nein ... ich ... nein.«
    »War damals ein Loch in der Dose?«
    »Ich glaube nicht.«
    Sénéchal öffnete den Behälter vorsichtig, wohl befürchtend, ein Skolopenderpaar mit der ganzen Familie darin vorzufinden. Beim Anblick des Inhalts stieß er einen Seufzer aus.
    »Scheint heute nicht mein Glückstag zu sein. Ein Paar alter Schuhe ... Das heißt, eigentlich gar nicht so alt. Aber angeschimmelt.« Er schüttelte die Dose. »Sonst ist nichts drin.«
    Lang betrachtete die Schuhe, die vorne mit Schimmel bedeckt waren.
    »Sie gehörten meinem Vater. Ich erkenne das Flechtwerk des Oberleders. Er hatte sie immer im Büro an ... Sie waren schon etwas abgetragen.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, mein Vater war sehr sparsam.«
    »Erklär dem Jungen hier«, feierlich zog Sénéchal zwei dicke Scheine aus seinem Portemonnaie, »dass er noch mehr bekommt, wenn er noch andere Sachen findet, die bei dem Computer waren. Vor allem aber muss er sie verstecken. Sag ihm auch, dass du ihn nächste Woche noch mal aufsuchst.«
    »Er hat keine Vorstellung, was ›nächste Woche‹ heißt.«
    »Dann sag ihm, dass du bald wiederkommst. Dass du ihm, wenn er etwas gefunden hat, noch einmal so einen Geldschein gibst.«
    Lang übersetzte. Der Junge nickte ernst. Sénéchal reichte Lang einen der Scheine, damit die Sache klar war, und den zweiten dem Halbwüchsigen.
    Nachdem der Junge sich überzeugt hatte, dass ihn niemand beobachtete, nahm er den Schein und faltete ihn ganz klein zusammen. Dann hob er sein dreckiges T-Shirt hoch und zog ein rotes Lederportemonnaie hervor, das er mit einem Strick um die Taille befestigt hatte. Er schob den Schein in die Geldbörse, schloss sie sorgfältig und ließ alles mit der Geschwindigkeit eines Zauberers wieder in seinen Shorts verschwinden. Anschließend blickte er Sénéchal forschend aus seinen schwarzen Augen an, wühlte in seiner Tasche und streckte ihm die geschlossene Faust hin. Dabei stieß er hastig ein paar Worte hervor.
    »Das ist ein Geschenk«, übersetzte Lang. »Nehmen Sie es. Er sagt, er habe es bei dem Computer und den Schuhen gefunden.«
    Der Junge ließ den Inhalt seiner Hand in die des Umweltinspektors fallen, wandte sich ab und rannte schnell wie der Blitz zu der Müllkippe mit den Vögeln, Ratten, Schlangen und Skolopendern.
    Sénéchal betrachtete sein »Geschenk«. Eine Handvoll runde schwarze Kiesel mit rauer Oberfläche. Ein etwas größerer, oval geformter Stein war milchig weiß. Er kam dem Umweltinspektor leichter vor als die anderen.
 
    Plötzlich hatte es zu regnen begonnen, ein Wolkenbruch, der alles unter Wasser setzte. Sénéchal dankte innerlich Madame Mahakam, die so vorausschauend gewesen war, ihnen Schirme mitzugeben. Sie hatte Sénéchal gebeten, möglichst bald zurückzukommen, weil ihr Sohn am nächsten Tag wieder an die Universität musste. In diesem Moment erschien ihm diese kleine, zerbrechlich wirkende Frau erstaunlich tapfer und entschlossen.
    Als die ersten Tropfen fielen, kam ihm der Gestank des brennenden E-Schrotts noch ätzender vor. Doch als er an seinem Hemd und seinen Händen schnupperte, merkte er, dass sich der Geruch von verbranntem Plastik in seiner Kleidung und seiner Haut festgesetzt hatte. Den Behälter mit den Schuhen unter den Arm geklemmt, spielte er mit den Kieseln in seiner Tasche. Ob sie wirklich etwas mit dem Verstorbenen zu tun hatten? Lang beteuerte, diese Steinchen nie bei seinem Vater gesehen zu haben.
    Schweigend gingen sie den Weg zurück. Der Himmel hatte sich schwarzblau verfärbt, dicke Regentropfen peitschten auf das Wasser. Der Angler, dem sie auf dem Hinweg begegnet waren, war verschwunden. Zurückgeblieben waren nur die Abfälle, die er aus dem Fluss gezogen hatte.
    Plötzlich begann Lang mit leiser Stimme zu reden.
    »Er ... Er hielt Selbstgespräche in seinem Arbeitszimmer. Ich konnte ihn hören. Manchmal schrie er. Meine Mutter redete beruhigend auf ihn ein. Aber er hatte Angst. Er weinte.

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