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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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Sohlen. Kinder zerlegten Tastaturen, die sie wie Dominosteine umgaben.
    Inmitten dieses hektischen Treibens stand ein Mann vor einer der Hütten und trank Tee. Er hielt die Schale in beiden Händen, führte sie gelegentlich zum Mund und beobachtete zwei Arbeiter, die sich neben einem Regal voller Kathoden angeregt unterhielten. Die beiden fingen seinen Blick auf und machten sich sofort wieder ans Werk. Der Mann tat, als würde er Sénéchal und seinen Begleiter nicht bemerken.
    Sénéchal rief Lang zu, der ihm folgte:
    »Den Bildschirm brauchen wir nicht. Der Rechner würde genügen. Doch in diesem Chaos finden wir den nie ...«
    »Es war ein roter, halb transparenter iMac.« Lang deutete auf den Berg von Computern. »Davon gibt es hier nicht viele.«
    »Rot?«
    »Meine Mutter fand das lustig, weil es gar nicht der Stil meines Vaters war. An einer Seite befand sich das Logo des UNEP. Denen gehörte nämlich der Computer. Sie haben meinem Vater erlaubt, ihn mit nach Hause zu nehmen.«
    »Und ihr habt ihn weggeworfen ... Was meinten denn die UNEP-Leute dazu?«
    »Gar nichts. Ich denke, Zhu brachte es nicht übers Herz, meiner Mutter eine Rechnung zu schicken. Wenn mein Vater ihn selbst gekauft hätte, hätte er sicher eine ... eine klassischere Farbe gewählt. Immer wieder meinte er, die Verwaltung hätte ihm auch ein geschmackvolleres Gerät geben können. Um ihn auf den Arm zu nehmen, haben meine Mutter und ich eines Tages Abziehbilder mit Zootieren gekauft - Tiere, die mein Vater von Berufs wegen schützte - und auf das rote Gehäuse des Computers geklebt.«
    »Wie hat er reagiert?«
    »Er nahm seinen Beruf sehr ernst, Monsieur, das können Sie mir glauben. Doch er hatte Humor. Einen ganz eigenen Humor. Er sagte, auf diese Weise könnte das UNEP ihm den Computer niemals mehr wegnehmen, höchstens um ihn zu verstecken oder einem Horrormuseum zu geben.«
    Lang lächelte bei dieser Erinnerung. Dann, als wollte er einen traurigen Gedanken verscheuchen, wies er mit dem Kinn auf den Teetrinker. Er sprach laut genug, um den Lärm der Maschinen zu übertönen, aber so, dass der Mann ihn nicht hören konnte:
    »Der Typ, den Sie da sehen, ist der Chef ... Ein Bauer, der hier früher Reis und Gemüse angebaut hat. Das Gelände gehört ihm. Er ist auf das Recyceln von Computern umgestiegen und damit reich geworden. Seit fünf Jahren hat sich die Menge von elektronischem Müll verdreifacht ... Die Amerikaner und die Japaner schicken uns all ihre gebrauchten Computer ... Sie selbst zu recyceln ist ihnen zu teuer. Man nennt das E-Schrott. Kinder, die hier für wenige Rupien arbeiten, vergiften sich mit diesem Schrott ... Die Erwachsenen natürlich auch. Sie werden krank. Wie Sie sehen, arbeiten die Menschen hier ohne jeden Schutz. Keine Masken, nichts. Nicht mal Brillen gegen die Plastik- und Metallsplitter, die hier überall herumfliegen. Sie haben keine Handschuhe. Viele von ihnen landen im Krankenhaus, aber dort kann man ihnen nicht mehr helfen. Oder sie sterben zu Hause ... Ein Computer ist ein Cocktail aus Stoffen, die den Menschen, die Natur, die Flüsse und somit auch die Reisfelder vergiften.« Er ereiferte sich immer mehr, je länger er sprach. »Da drin sind, glaube ich, mehr als tausend Einzelteile, die in den Kontaktnieten Blei, in den Unterbrechern Quecksilber und in den Bildschirmen phosphoreszierende Pulver enthalten, außerdem Kadmium, Chrom, Barium und alle möglichen Schwermetalle ... Ganz zu schweigen vom Kupfer in den elektrischen Kabeln. Das habe ich bei meinem Studium in Depok gelernt. Sehen Sie die Bretterbude dort hinten ...«
    Lang wies durch den Rauchvorhang auf eine Hütte, die größer und niedriger war als die anderen.
    »Die mit dem Schild ›PVC‹?«
    »Ja. Da drin sind Maschinen.«
    »Das hört man. Was für ein Getöse ...«
    »Ich war schon mal dort. Es ist die Hölle da drin. Eine Hitze von über vierzig Grad. Lärm, von dem man taub wird. Die Leute sortieren dort Plastik, zermahlen es und lassen es schmelzen. Den ganzen Tag inhalieren sie giftige Dämpfe ...«
    Der Junge deutete auf die Metallkanister, aus denen der schwarze Rauch quoll.
    »Das Schlimmste ist, dass sie Plastik an der frischen Luft verbrennen. Das ist verboten, doch die Behörden schauen weg. Mein Vater war immer furchtbar wütend darüber. Wir wohnen ja ganz in der Nähe.« Lang hob die Schultern. »Aber was tun? Manchmal sagte er, es sei nicht der Mühe wert, sich für den Erhalt einer Vogelart oder eines alten Fisches

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