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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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vor der gläsernen Eingangstür. Der Mann am Empfang hatte nicht aufgeblickt, und der Offizier hatte sich nicht von seinem Platz bewegt.
    Sénéchal kletterte in einen orangefarbenen Bajaj, eine Art Motorroller, dessen hinterer Teil aus einem würfelförmigen Kasten mit durchgesessenen Bänken bestand. Darin roch es nach reifen Papayas. Sénéchal quetschte sich auf einen der Sitze, und das Gefährt fädelte sich mit dem nervtötenden Geräusch eines Rasenmähers in den Verkehr ein. Der Fahrer, ein junger Bursche mit einer bunten Lederjacke und Piercings in den Ohren, setzte ihn bei der nächsten Polizeistation ab. Dort zückte der Inspektor seinen Dienstausweis, bat um ein Gespräch mit dem Vorgesetzten, wartete längere Zeit, umgeben vom Duft der Nelkenzigaretten, die die Polizisten pausenlos qualmten, warf ein gezwungenes Lächeln in die Runde - das von den Anwesenden freundlich erwidert wurde - und zog schließlich das Dokument von Hauptmann Thamnir aus der Tasche. Dieses hielt er dem wachhabenden Polizisten direkt vor die Nase.
    Wie wirksam dieses Sesam-öffne-dich war, zeigte sich daran, dass er unverzüglich vom Leiter der Dienststelle empfangen wurde. Diesen bat er in aller Höflichkeit, den Karton, in dem sich die Schuhe, die sorgsam zusammengefalteten Staubsaugerbeutel, das Glasplättchen und die schwarzen Steine befanden, zu versiegeln, alles in eine Plastikhülle zu verpacken und an die Adresse zu schicken, die er auf ein leeres Verhörformular schrieb. Er bat noch um eine Auskunft, die er in seinem Notizbuch vermerkte, hinterließ seine Telefonnummer und beendete das Gespräch, indem er den Dienststellenleiter mit Versicherungen seiner Hochachtung überhäufte.
    Der Typ sah auf seine goldene Uhr, versprach, dass alles erledigt und das Päckchen innerhalb von drei Tagen in Paris eintreffen würde. Dann schüttelte er Sénéchal die Hand, trat auf den Flur hinaus und schnauzte den wachhabenden Polizisten an.
 
    Eine Stunde später speicherte Sénéchal auf seinem Laptop eine komplette Fotoserie des ovalen Kiesels samt Inhalt in starker Vergrößerung. Der Skarabäus war aus allen erdenklichen Blickwinkeln aufgenommen, auf mehreren Bildern war die Luftblase zwischen seinen Fühlern sehr deutlich zu erkennen. Er verschickte die Bilder via E-Mail und wollte den Empfänger sogleich anrufen. Vorsichtshalber warf er aber einen Blick auf die Armbanduhr und kam eingedenk der Zeitverschiebung zu dem Schluss, dass Professor Morel wohl noch nicht in seinem merkwürdigen Pariser Labor eingetroffen war.

28
 
 
 
    »Regen Sie sich nicht auf, Sénéchal. Da Sie keinen Schritt unbeaufsichtigt machen können, habe ich einen Ausweg gefunden. Erinnern Sie sich an Edouardo, den kleinen schnauzbärtigen Polizisten, der immer Schuhe mit hohen Absätzen trug und Ihnen in Französisch-Guayana geholfen hat?«
    »Ja natürlich, gefürchtete Chefin. Ohne ihn hätte ich weder den von Mücken wimmelnden Dschungel noch das Frikassee vom Leguan oder Tapir à la Stroganoff kennengelernt.«
    »Ich habe mit ihm gesprochen. Er ist in Manila.«
    »Edouardo ist auf den Philippinen?«
    »Ja, seit zwei Monaten ist er aus Guayana zurück ... Mir hat sich noch nie erschlossen, welchem Beruf er genau nachgeht, doch er hat mir ernsthaft versichert, dass diese Ermittlungen in Indonesien genau in den Rahmen seiner gegenwärtigen Tätigkeit fallen: internationale Polizeikooperation und alles, was damit zusammenhängt.«
    »Das ist ein bisschen dick aufgetragen, oder?«
    »Je dicker, desto besser ...«
    »Und weiter?«
    »Na ja, er hat sich sein Handy gegriffen und seine Vorgesetzten bearbeitet. Offenbar mit Erfolg. Er wird mit Ihnen zusammenarbeiten, und zwar auf höchsten Befehl hin.«
 
    Der Umweltinspektor hatte noch gut drei Stunden Zeit, bis er zum Flughafen aufbrechen musste. Er aß im Hotelrestaurant zu Abend und schlich anschließend mit gekühlten Bier- und Sodaflaschen in die Küche. Mit imperialer Geste schob er einen mit einem Holzlöffel bewaffneten Koch beiseite, der sich ihm in den Weg stellte, hob jeden Topfdeckel und schnupperte an dem entweichenden Dampf. Nun bedrängte er die fröhlichen Küchenjungen, bis ihm einer nach dem anderen verriet, welche Zutaten in sein Gericht gehörten. Schließlich entlockte er ihnen bei einem Gläschen, wie man es bewerkstelligte, ein Bebek Tutu zu zaubern: eine mit Gewürzen gefüllte balinesische Ente, die zwölf Stunden in einem Palmblatt gegart wird.

29
 
 
 
    An der Innenseite der Tür

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