H2O
archivieren Sie die Aufnahme zusammen mit der, die Sie beim Besuch des letzten Polizisten bei der Witwe Mahakam und ihrem Sohn gemacht haben. Ich frage mich, wie oft die Franzosen wohl noch einen Polizisten zu ihr schicken werden.«
Hauptmann Thamnir erfreut sich bester Laune.
41
Sénéchal hatte nichts aus dem beharrlich schweigenden Küchenchef herausbekommen und auch nicht aus seinem Assistenten, der ihm mit dem ewig gleichen leeren Lächeln ein hübsch dekoriertes Gericht nach dem anderen in das klosterzellenartige Zimmer brachte. Der Umweltinspektor hatte alles gegessen, was man ihm gereicht hatte, den Tee getrunken, aber den lauwarmen Sake nicht angerührt.
Nachdem er sein üppiges Mahl beendet hatte und die beiden Köche verschwunden waren, erhob er sich und trat hinaus in die Sonne. Der Platz war wie ausgestorben, kein Mensch zu sehen. Die kleinen Elektroautos schienen zu schlummern, die Sonne spiegelte sich in den gläsernen Wänden des Gewächshauses. Er beschirmte die Augen mit der Hand und spähte hindurch. Die Männer, die zuvor am Tisch gesessen hatten, und die Leibwächter waren verschwunden. Auf einem der Dächer begann eine Klimaanlage zu summen und verstummte gleich wieder. Auf Takenushis Anwesen herrschte eine schläfrige Atmosphäre ... Sénéchal lächelte. Das Dornröschenschloss. Hier halten alle Siesta. Und ich dachte, die Japaner wären hyperaktive Arbeitstiere ... Auch eine Legende.
Er trällerte:
»Ein Männlein steht im Walde ...«
Das große Gewächshaus mit dem Wald darin war abgeschlossen. Der Umweltinspektor bog links in die kleine Zufahrtsstraße ein, über die zu Zeiten der Gartenbaufirma wohl Dünger und Pestizide befördert worden waren. Durch die Glaswände erblickte er die Zweige der Bäume, die sich im künstlichen Wind wiegten. Schmetterlinge flogen durch das Blattwerk, doch auf den Wegen war niemand zu sehen. Als er einen der kleinen Roboter entdeckte, blieb er stehen. Die Maschine drehte sich um die eigene Achse, bewegte sich hektisch vor und zurück, wendete wieder auf der Stelle.
Am Ende der Zufahrtsstraße stieß er auf einen ähnlichen Ort: ein Treibhaus mit verdunkelten Scheiben. Die schwarze Fläche verschluckte förmlich die Sonnenstrahlen, nur die Aluminiumbalken glitzerten im Licht. Daneben erhob sich ein Hügel mit einem Felsplateau, das mit glattstämmigen Bäumen bepflanzt war. Zwischen ihnen waren in regelmäßigen Abständen engmaschige schwarze Netze gespannt. Einige waren zusätzlich an Pfählen befestigt. Sénéchal betrachtete einen Augenblick das seltsame Dekor: Die Netze zogen sich über den ganzen Hügel hin, als habe man diesen in ein Haarnetz hüllen wollen. Das dunkle Treibhaus und die Netze, die wie Totensegel waren, wirkten bedrohlich.
Zwischen den Maschen am Boden sah er etwas blitzen. Metallrohre ... Sie waren überall. Ein Dutzend Rohre verlief zwischen den Bäumen den Hügel hinab. Er trat einen Schritt vor, um zu erkunden, wohin sie führten, doch er wurde enttäuscht: Anscheinend mündeten sie alle an einer Stelle in den Boden.
Auch das Gewächshaus selbst weckte seine Neugier. Es war nicht größer als dreißig mal sechs Meter, und auf dem Dach waren Überwachungskameras angebracht. Eine davon drehte sich langsam über der geschlossenen Eingangstür.
Als Sénéchal um das sonderbare Gebäude herumging, entdeckte er einen Haufen Tomaten in einem Verschlag aus Steckbrettern. Der Geruch von faulendem Gemüse streifte die Nase des Inspektors und verflog.
Er drückte das Gesicht an die schwarze Scheibe. Unmöglich, irgendetwas im Inneren zu erkennen. Er gab es auf und ging zurück zu dem Tomatenhaufen. Sorgfältig wählte er eine aus, wickelte sie in sein kariertes Taschentuch und ließ sie in den Tiefen seiner Tasche verschwinden.
42
In einen seidenen Morgenmantel gehüllt, Schlappen an den Füßen, sitzt die Witwe Mahakam rauchend im Wohnzimmer. Sie beobachtet den Besucher, der vor ihr steht. Ihr bleiches Gesicht wirkt ängstlich, ihre Augen sind zwei schmale Schlitze, gerötet von Tränen.
»Ich vermute, Ihr Sohn ist gerade in der Universität, Madame Mahakam«, sagt er.
Sie antwortet nicht. Die Höflichkeit dieses kleinen Mannes hat für sie etwas Bedrohliches. Gewiss hat er sich von der Abwesenheit ihres Sohnes überzeugt, ehe er hier aufgetaucht ist. Dann fragt er unvermittelt:
»Was ist das für eine Hütte hinten in Ihrem Garten?«
Er wirkt gereizt. Wie hypnotisiert blickt Madame Mahakam auf seinen
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