Haarmanns Kopf
nehmen soll.“
„Herr Thimm, Sie kennen meine Meinung. Ich hatte Ihnen ja bereits gestern gesagt, dass es viel zu früh für eine Pressekonferenz ist. Uns liegen noch nicht einmal die Ergebnisse des Obduktionsberichts vor. Und ohne die DNA-Analyse haben wir keinen Anhaltspunkt ...“
„Herr Venneker, ich kann es nicht ändern. Die Staatsanwaltschaft hat mich auch darauf hingewiesen, dass sie normalerweise nur dann eine Pressekonferenz einberuft, wenn es um Angelegenheiten geht, die für die Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung sind. In diesem Fall erging es den Kollegen genauso wie uns. Anweisung von oben. Es wird ein Vertreter der Staatsanwaltschaft anwesend sein. Ob der etwas sagen wird, ist eine andere Frage.“
Thimm schien einen Augenblick lang nachzudenken, bevor er ergänzte: „Wissen Sie, eigentlich hat die Konferenz doch auch etwas Gutes.“
„Wieso das ?“
„Sie kennen doch unseren Freund Donald Kettner?“
„Den sensationslüsternen Reporter von der Göttinger Morgenpost?“
„Genau. Er war der Erste, der sich gestern bei mir gemeldet hat und mir tatsächlich einen Deal vorgeschlagen hat.“
„Einen Deal? Wie ist das zu verstehen?“
„Er bat um einen Termin und bot an, erst dann über den Mord zu berichten, wenn er mit uns gesprochen hat.“
„Er kann’s nicht lassen, oder? Der wird es immer wieder versuchen. Er wollte sich die exklusive Berichterstattung sichern, richtig?“
„Ja, und er wird auch in diesem Fall Informationen nicht früher erhalten als seine Kollegen von den anderen Medien.“
Martin kannte Donald Kettner gut. Kettner war Ende vierzig, circa 1,70 Meter groß, untersetzt und trug sein lichter werdendes, dunkles Haar gescheitelt. In seinem Gesicht fiel zuerst die rot gefärbte Nase auf. Insbesondere an den Flügeln war sie von dünnen, violetten Äderchen durchzogen. Beinahe wirkte das Organ so, als wolle es im nächsten Augenblick zerplatzen. Ein weiteres Markenzeichen waren seine zerknitterten Anzüge, deren Sakkoärmel mindestens 5 Zentimeter zu lang waren und die Hände, bis auf die Finger, darin verschwinden ließen. Als Journalist war er dafür bekannt, auch mit unsauberen Mitteln an Informationen zu kommen. Allerdings war er zu schlau, um sich dabei erwischen zu lassen. Der Chefredakteur der Göttinger Morgenpost deckte ihn, und Martin hatte sich schon oft die Frage gestellt, inwieweit jener selbst in die Aktionen Kettners involviert war. Auf jeden Fall war Kettner hellwach und stets auf der Suche nach einer guten Story, die dem Blatt hohe Auflagen garantierte.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs vereinbarten Martin und sein Vorgesetzter, auf den Einsatz der vorbereiteten Präsentation zu verzichten. Die Presse sollte nur das Nötigste erfahren. Thimm wollte den Hauptteil übernehmen und Martin sollte die Fragen der Journalisten beantworten.
*
Der große Konferenzraum im ersten Stock war bis auf den letzten Platz besetzt. Der Abstand zwischen den parlamentarisch aufgereihten Stuhlreihen war so eng, dass einige der Anwesenden sichtlich Mühe hatten, sich mit ihren Taschen und Koffern an den Fotografen und Journalisten vorbeizuschieben, die bereits Platz genommen hatten. Ein Stimmengewirr, wie auf einem Basar, erfüllte den Raum. Im vorderen Seitenbereich standen zwei Mitarbeiter eines regionalen Fernsehsenders, die hastig versuchten, eine Filmkamera auf einem Stativ zu befestigen. Vereinzelt erhellten Blitzlichter das Geschehen, als Martin, seinem Chef folgend, den Raum betrat. Sie bahnten sich den Weg zum Podium, wo schon der Sprecher der Staatsanwaltschaft auf sie wartete. Nach einer kurzen Begrüßung eröffnete Thimm die Konferenz.
Nachdem er die Fakten dargelegt hatte, wurde er von einem der Journalisten, der zentral in der ersten Reihe saß, unhöflich unterbrochen.
„Wenn ich das richtig verstehe, haben Sie bisher noch keinerlei Anhaltspunkte, nach wem Sie eigentlich suchen. Ist das richtig?“
Thimm warf Martin einen Blick zu, der einer Aufforderung gleichkam, die Frage zu beantworten.
„Wie Herr Thimm bereits sagte, stehen wir erst am Anfang unserer Ermittlungen“, erklärte Martin. „Selbstverständlich gibt es Anhaltspunkte, denen wir bereits nachgehen. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich Ihnen dazu heute nicht mehr sagen kann. Wir würden sonst unsere Ermittlungen gefährden.“
„Ist es richtig, dass der Pförtner durch einen Biss in den Hals starb?“, wollte der Mann wissen.
Martin kniff die Augen zusammen
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