Haarmanns Kopf
kann Ihnen aber noch meine persönliche Meinung dazu mitteilen. Letztlich ist es egal, ob er das Skalpell selbst angesetzt hat. Fakt ist, dass er Bernhard Dembowski unter seine Kontrolle gebracht hat und ihn wie ein Werkzeug benutzte. Und die Anstiftung zum Mord wird nach deutschem Recht genauso hart bestraft wie ein Mord.“
„Wenn ich das richtig verstehe, ist Kettner ein Opfer seiner Neugier und seines journalistischen Instinkts geworden. Er wollte eine gute Story und ist dabei seinen Mördern direkt in die Arme gelaufen.“
„Ja, das kann man durchaus so sagen. Es bleibt die Frage, was Jacobsen gemacht hätte, wenn Kettner nicht von sich aus der Spur nachgegangen wäre, die ihn direkt in die Animus-Klinik geführt hat. Vermutlich hätte er auf einem anderen Weg dafür gesorgt, dass die Sache publik wird. Aber das ist reine Spekulation.“
Thimm dachte einen Augenblick lang nach und sagte dann: „Das ist wirklich der bizarrste Fall, den ich je erlebt habe. Was hat es mit diesem ominösen Metallbehälter auf sich? Ist das mittlerweile geklärt?“
„Ja, dazu hat uns Dembowski gesagt, dass er den benötigte, um seinen Traum zu verwirklichen. Sein größter Wunsch war es, die Leichen seiner Opfer zu konservieren. Oder besser gesagt zu plastinieren . Das ist ein Verfahren, das in ähnlicher Form von Gunther von Hagens entwickelt wurde, und dafür benötigte Dembowski den Behälter, den er sich von einem Metallbauunternehmen anfertigen ließ.“
„Ja, ich habe davon gehört“, sagte Thimm nachdenklich. „Und was ist mit diesen Gehirnschnitten?“
„Wir haben alles abgesucht. Das Haus, das Grundstück, die Schuppen. Auch in der Wohnung und in der Praxis von Jacobsen haben wir nichts gefunden. Ebenso bleibt sein Handy mit der Prepaid-Karte verschwunden.“
„Das heißt, Sie halten es für möglich, dass Jacobsen die Gehirnschnitte in seinen Besitz gebracht und versteckt hat. Aber warum? Was will er damit?“
„Leider schweigt Jacobsen beharrlich. Wir haben aber herausgefunden, dass er in jungen Jahren am Max-Planck-Institut in München beschäftigt war. Dort hatte er Zugang zu den Gehirnschnitten Haarmanns. Es war geplant, dass die Schnitte genauer untersucht werden sollten, doch es kam nie dazu. Auf jeden Fall hat ihn das damals sehr geärgert und er hat die Idee, die Untersuchungen durchzuführen, nie aufgegeben. Ich habe darüber noch mal mit Dr. Ebeling gesprochen. Er meint auch, dass Jacobsen durchaus ein Interesse daran hatte, die Schnitte zu untersuchen. Jacobsen ist nicht nur Psychiater, sondern auch Neurologe, und er arbeitet seit Längerem an einem Buch über Gehirne von Gewalttätern. Er will nachweisen, dass die Hirne von solchen Tätern Anomalien aufweisen. Dabei war es wichtig für ihn, das Gehirn zu verorten , um anhand dieser Abweichungen deviantes Verhalten nachzuweisen. Dr. Ebeling hat mir erklärt, dass es ganz einfach ausgedrückt darum geht, dass Psychopathen offensichtlich über weniger graue Gehirnmasse verfügen als normale Menschen. So lautet zumindest eine These, die von einigen Wissenschaftlern vertreten wird. Jacobsen wusste natürlich ganz genau, wo der Behälter mit den Gehirnschnitten aufbewahrt wurde, und hat Bernhard Dembowski den Weg zu dem Lagerort im Max-Planck-Institut erklärt. Er hat Dembowski damit geködert, dass die Gehirnschnitte und Haarmanns Kopf wieder zusammengeführt werden müssen. Bei Bernhard Dembowski hat sich das zu einer fixen Idee beziehungsweise zu einem Wahn entwickelt, den sich Jacobsen zunutze machte.“
„Mir fällt dazu nur ein, dass es wohl stimmt, dass Genie und Wahnsinn oft dicht beieinander liegen“, sagte Thimm.
„Ja, da haben Sie wohl Recht. Unterm Strich lässt sich sagen, dass Jacobsen seine Arroganz und Haarmanns Kopf zum Verhängnis wurden. Ironie des Schicksals. Ohne die Fingerabdrücke auf dem Behälter und dem Skalpell hätten wir ihn nicht überführen können.“
Martin und Yannik begaben sich zurück in ihr Büro. Sie hatten den mysteriösesten Fall ihrer bisherigen Laufbahn erfolgreich abgeschlossen. Alles Weitere lag jetzt in den Händen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts.
„Ich lade dich zum Essen ein“, sagte Martin.
„Gern.“ Yannik lächelte. „Aber nur, wenn ich das Restaurant aussuchen darf.“
„Einverstanden. Was darf’s denn sein?“
„Vegetarisch. Mein Bedarf an Fleisch ist bis auf Weiteres gedeckt.“
EPILOG
Ein halbes Jahr später:
Bernhard Dembowski wurde gemäß
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