Hab ich selbst gemacht
Angelegenheit, etwas fies und deshalb umso toller. Wie als Kind im Matsch zu spielen.
Als alles vermengt ist, formen wir daraus zwei kleine Stollen. Und formen heißt wirklich formen. Das hier ist kein fester Teig, sondern eher so was wie sehr weiche Tonmasse. Vielleicht ließen sich auch kleine Stollenaschenbecher daraus brennen. Aber erst mal versuchen wir, eine klassische Stollenform zu imitieren, mit nassen Händen geht das ganz gut. Der Mann schiebt die Stollen in den Ofen und sich selbst einen Stuhl vor das Ofenfenster.
»Das dauert jetzt aber 80 Minuten«, sage ich.
»Mh-hm.« Gut, soll der Mann da sitzen, ich muss stricken. Nur noch 22 Tage bis Weihnachten.
Aus der Küche höre ich den Mann immer wieder rufen: »Geil, Stollen!«, »Wir haben Stollen gebacken!«, und einmal ruft er auch: »Die sehen aus wie richtige Stollen!«
Dann sagt der Mann eine Weile nichts mehr. Ich schaue nach, ob die Stollen vielleicht jetzt nicht mehr so super sind oder nur noch ein Häufchen Kohle, und ob der Mann leise weinend vorm Ofenfenster sitzt. Alles falsch. Er steht am Herd, die beiden fertigen Stollen vor sich, in der einen Hand einen Backpinsel, in der anderen eine Schüssel mit flüssiger Butter. Viel flüssiger Butter. Er tunkt bedächtig den Pinsel in die Butter und streicht, nein: streichelt die Stollen damit ein. Er habe, erklärt er mir, recherchiert, was in dieser geilen Kruste drin sei: »Zucker und Fett, und zwar abwechselnd. I like.« Auf die butterdurchtränkten Stollen schüttet er großzügig weißen Kristallzucker, dann pinselt er sie wieder mit viel, sehr viel Butter ein und siebt zum Schluss eine dicke Schicht Puderzucker darauf. Er tritt ein Stück zurück, schaut die Stollen an, schaut mich an, kräuselt wohlig die Nase und brummt: »Mhhhh.«
Der Mann ist in zwei große Batzen Weihnachtsgebäck verliebt.
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Tag 338
Der beste Stollen der Welt
Mein Telefon weckt mich. Eine SMS . Ich blinzle aus meinem linken Auge auf das Display, meine Mutter schreibt. »Quarkstollen hält 1 Woche. Quark gammelt.« Ich muss über diese Nachricht erst einmal nachdenken, aber als ich sie kapiere,bin ich plötzlich sehr wach. Wenn meine Mutter recht hat, haben wir unsere Stollen nicht zum Mürbewerden in die Abstellkammer gelegt, sondern zum Vergammeln.
In diesem Moment bin ich froh, so eine unangenehme Angeberin zu sein. Gestern nämlich habe ich meiner Mutter in einer SMS stolz verkündet: »Bringe zu Weihnachten Quarkstollen mit, den wir gestern gebacken haben.« Angeberei kann Stollen retten.
Ich hole die beiden Stollen aus der Kammer, lege einen, so wie er ist – eingewickelt in Alufolie und Plastik –, in den Tiefkühlschrank, den anderen wickle ich aus und schneide zum Frühstück ein paar Scheiben ab. Wenn er schmeckt, beschließen der Mann und ich noch beim Käsebrot, backen wir einfach kurz vor Weihnachten noch mal neue Stollen – immerhin hat auch der Mann gestern seiner Familie verkündet, in diesem Jahr für den Weihnachtsstollen sorgen zu wollen. Wenn er nicht schmeckt, na ja, »dann suchen wir ein Hefestollenrezept raus, backen heute Abend wieder, und dann kann er immerhin noch zweieinhalb Wochen liegen«, spricht der Mann mir gut zu.
Yay, schon wieder backen. Meine Lust hält sich in Grenzen. Für den Abend hatte ich mich eigentlich mit meiner Nähmaschine verabredet, ich bin mit meinem 5-Wochen-Plan immer noch im Geschenkesoll.
Aber was soll’s. Wenn der Mann schon mal begeistert ist, sollte ich besser mitmachen.
Und dann kosten wir unseren Stollen. Nach dem ersten Kauen schauen wir uns über den Tisch hinweg mit großen Augen an. Aus unseren Gesichtern weicht jegliche Anspannung, wir schließen kurz die Augen und stöhnen beide genüsslich »Mhhh.« Das klingt vielleicht übertrieben, aber genau. So. Ist. Es.
Der Stollen ist der Wahnsinn. Er ist buttrig. Er ist zitronig. Er ist mandelig. Darunter ein leichtes Rum-Aroma. Unddann sage ich zum Mann mit vollem Mund: »Fie blöd ift daf denn: Fir ham den geilften Ftollen der Felt gebacken mitm Refept aufm Internet.«
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Tag 345
Einatmen. Ausatmen. Weitermachen
Ich hasse diese Welt. Ich hasse Weihnachten. Ich hasse das Selbermachen. Heute habe ich aus lauter Hass sogar geweint. Na ja, vielleicht war das auch kein Hassweinen, sondern ein Verzweiflungsweinen.
Mir sitzen die Abgabetermine für zwei große Artikel im Nacken.
Es sind immer noch acht Geschenke to do.
Und nur noch vierzehn Tage bis Weihnachten.
Jeder Abend zählt, sowohl
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