Hab ich selbst gemacht
egoistische Gründe hinter seinem Vorschlag, aber tatsächlich ist mir auch unwohl bei dem Gedanken, am Abend mit zehn Krapfen aufzutauchen, in die alle hineinbeißen, um dann das Gesicht zu verziehen und sich vielleicht noch ein halbherziges »Hm, interessant« herauszupressen.
Wir werden am Abend neun Leute sein, zehn Krapfen liegen auf der Küchenzeile, einer ist eh zu viel. Also beriesele ich einen Krapfen mit Puderzucker, zücke ein Messer und schneide ihn in der Mitte durch. Eine Hälfte reiche ich dem Mann.
Wie zwei Verkoster im Fernsehen oder bei einem kulinarischen Wettbewerb beißen wir andächtig in unsere Krapfenhälften, kauen schweigend, schmatzen ein bisschen, der Mann nickt mit dem Kopf, bei mir ist es eher ein Hin- und Herschwanken des Kopfes. Ich brauche lange, bis ich meinen Bissen runtergeschluckt habe, dem Mann geht es genauso. Dann sagen wir fast gleichzeitig: »Joah …«
»Ein bisschen fluffiger könnten sie sein«, sagt der Mann. »Und mehr Marmelade muss rein, mindestens doppelt so viel, besser dreimal.«
»Hm. Die sind etwas schliff.«
»Was sind die?«
»Na, noch so ein bisschen roh. Leicht batzig«, ich beiße noch mal in meine Krapfenhälfte, »und ganz schön schwer zu kauen.« Die Konsistenz braucht wirklich eine Portion guten Willens zur Bewältigung, und als ich erneut schwer schlucke, um den Bissen runterzukriegen, beschließe ich, dass diese Krapfen unsere Küche nie verlassen werden.
»Ich mache heute Nachmittag noch mal neue«, sage ich und überlege, ob ich es schaffen kann, zwischen Feierabend, der im Münchner Geschäftsleben an diesem Faschingsdienstag schon mittags anfängt, und dem Essen um halb acht noch mal eine Ladung Faschingskrapfen zu backen. Vor allem, wenn ich die Teigkugeln länger liegen lasse, um ihnen mehr Zeit zum Aufgehen, zum Fluffigwerden zu geben. Es müsste passen. Nach meiner Berechnung könnten sie zweieinhalb Stunden ruhen.
Also stehe ich nach vier Stunden Büro wieder in der Küche, rühre die Hefe in etwas Milch, verquirle Ei, Zucker, Butter, schütte Mehl dazu und die Hefemilch, forme zwei Stunden später zehn kleine Teigbällchen und lege sie auf dem bemehlten Brett ab. Wie schon gestern decke ich sie locker mit etwas Frischhaltefolie ab und lasse sie dann erst einmal in Ruhe.
Zwei Stunden später sind sie zu doppelt so großen Flatschen angeschwollen, und ich will die Folie wegnehmen, um den Teig die letzte halbe Stunde an der Luft aufgehen zu lassen. Sie sollen eine Haut kriegen, das steht so im Rezept. Nur leider ziehe ich ihnen in diesem Moment die Haut ab – die Folie klebt fest. Das hat sie gestern nicht gemacht, eine Nebenerscheinung des langen Liegens, vermute ich. Ich kratze und ziehe vorsichtig und bin jetzt schon etwas genervt, dass vielleicht auch diese Ladung Krapfen nichts wird.
Aber erst mal will ich mich nicht entmutigen lassen, eine halbe Stunde haben sie ja noch, ich gebe ihnen sogar eine Dreiviertelstunde, um sich vom Folienabziehstress zu erholen. Ich ziehe mich in der Zwischenzeit schon mal um, weil wir in anderthalb Stunden losmüssen, es bleiben mir also gerade mal 45 Minuten fürs Frittieren und Füllen. Bevor ich anfange, mit dem Öl herumzumatschen, ziehe ich mir vorsichtshalber noch ein altes Sweatshirt über und lasse dann den ersten, dick aufgegangenen Krapfen ins Öl platschen. Nacheinander backe ich alle zehn, auch sie bekommen wieder keinen weißen Rand, es scheint da noch irgendeinen Trick zu geben, den ich nicht kenne. Oder es ist einfach unmöglich, diesen hellen Streifen zustande zu bringen, vielleicht ist das eine industrielle Sache. Aber dann sind auf den Fotos von »lubu«, dessen oder deren Rezept ich aus dem Internet ausgedruckt habe, gekaufte Krapfen zu sehen! Die haben nämlich einen hellen Ring in der Mitte. Meine Krapfen dagegen sehen genauso merkwürdig aus wie die gestern. Ein bisschen gleichmäßiger braun sind sie. Immerhin.
Noch zehn Minuten, dann müssen wir los. Mit Hochdruck sauge ich Marmelade in einen Strohhalm, mit noch mehr Druck puste ich sie in die Krapfen. Drei Portionen für jeden. Dann lege ich sie beiseite und der Mann siebt Puderzucker darauf. Nach sechs Krapfen tut mir vom Pusten der Mund weh. Die Lippen ziehen, Zunge und Gaumen fühlen sich vom Saugen ganz wund an. Ich mache ein paar Lockerungsübungen, »Uaaaah« und »Iääääh« und »Brrrr« mache ich, während der Mann zunehmend skeptisch guckt. Dann quäle ich mich mit den restlichen vier Krapfen ab, lege die
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