Hab ich selbst gemacht
fertig bestäubten in eine Dose und stopfe sie in die Tasche. Eine Viertelstunde zu spät kommen wir von zu Hause los, ich mit schmerzendem Mund.
»Die Krapfen sind selbst gebacken«, sage ich später beim Dessert, als ich sie auf einen großen Teller staple. »Ah echt?« und »Das ist ja toll« bekomme ich zur Antwort und ergänze mal vorsichtshalber: »Ich weiß aber nicht, wie sie geworden sind.«
Alle greifen sich einen Faschingskrapfen und beißen hinein. Ich warte einen kurzen Moment, um die Reaktionen zu beobachten. Ich suche in der Tischrunde nach verzogenen Mundwinkeln und Stirnrunzeln. Ich finde keine, beiße selbst in meinen Krapfen. Ich höre ein »Mhhh« von der besten Freundin und ein »Lecker« von ihrem Sohn. Beide klingen nach meinem Geschmack ein kleines bisschen zu höflich. So richtig überzeugt bin ich nicht, dass die Krapfen sie wirklich begeistern. Ich selbst kaue nämlich schon wieder ziemlich lange auf meinem Bissen herum, bis ich ihn schlucken kann.
Obwohl der Krapfen nicht schliff ist, sondern gut aufgegangen und durchgebacken, ist er überhaupt kein Vergleich zu den Krapfen vom Bäcker gegenüber. Er ist viel schwerfälliger und fettiger. Einfach viel unattraktiver. Und dafür solch ein Aufwand?
Nee, Krapfen werden nicht mehr selbst gemacht. KeineFrittiersauerei, kein Gestank, der tagelang in der Wohnung hängt. Die werden im nächsten Jahr wieder schön gekauft. Vier, fünf, sechs verschiedene Sorten, soll sich doch der Bäcker mit dem Machen abquälen.
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Tag 52
Geschüttelt, nicht gekauft
Es ist Sonntagmorgen, und ich stehe im Schlafanzug in der Küche. Beziehungsweise: Ich knie vor unserem Küchenschrank, mit dem Kopf im unteren Fach.
»Was tust du da?«, fragt der Mann in Richtung meines Rückens.
»Ich suche … Ich suche diesen verdammten Becher.«
Der Mann geht weg, dann kommt er wieder.
»Den hier?«
Ich krieche ein bisschen rückwärts, um aus dem Schrank herauszukommen, schaue hoch und –: »Genau den. Wo hast du den gefunden?«
»Im anderen Schrank.«
Na gut. Ich nehme dem Mann den Becher aus der Hand, klopfe ein paar Krümel von meiner Schlafanzughose und sage: »Ich werde jetzt Butter machen.«
Der Mann sagt nur »gut« und verschwindet im Bad.
Gestern früh haben wir das letzte Stück Butter aus der Butterdose gekratzt, und als ich im Supermarkt vor dem Kühlregal stand, beschloss ich, anstelle neuer Butter einen Becher Sahne zu kaufen. Zwar ist es eigentlich hirnrissig, einfach anstatt des einen das andere zu kaufen – die Sahne ist ja auch nicht selbst gemacht. Aber da wir nun mal keine Kuh haben und der nächste Bauernhof nur mit dem Auto zu erreichenist, muss die Sahne aus dem Becher ihren Zweck erfüllen und zu Butter werden.
Butter selbst machen soll ganz einfach gehen. Allerdings ist das mit »ganz einfach« oft so eine Sache: Wenn man etwas kann, ist es natürlich ganz einfach. Ich kann mir zum Beispiel nichts Einfacheres vorstellen als Pfeifen. Ich pfeife viel, gern, laut, auf den Fingern, mit Luft rein oder raus. Aber wenn ich zum Mann jetzt sagen würde: Pfeif mal, dann würde er mich nur anpusten. »Einfach« ist immer relativ.
Jedenfalls klickte ich vor ein paar Tagen auf einen Link, der bei Twitter in meiner Timeline auftauchte, und landete auf einer Seite mit einem Video: Ein älterer Herr mit beeindruckendem Bart sitzt an einem Tisch und erklärt, wie das Buttermachen geht. Und zwar nicht nur in praktischer Hinsicht, sondern auch mit allen physikalischen Details. Das Video hat einen Charme, der zwischen Bob Ross’ Malanleitungen und den Experimenten in der WDR -»Hobbythek« liegt. Tatsächlich, so weiß ich am Ende des Films, stecken hinter dem Buttermachen keine höheren Mächte oder geheimnisvollen chemischen Prozesse, sondern vor allem: Gewalt. Sahne muss so lange kräftig geschüttelt werden, bis die Fettpartikel mit aller Wucht von den flüssigen Partikeln getrennt sind. Dann hat man: Butter. Und Buttermilch.
Ich habe den Becher Sahne wie empfohlen über Nacht bei Zimmertemperatur stehen lassen. Das soll die Sahne ein bisschen anranzen lassen, was die Schüttel-Prozesse unterstützt. Glücklicherweise riecht sie trotzdem noch angenehm, als ich den Deckel vom Becher abziehe und die Sahne in einen Schüttelbecher umfülle. Ein Schraubglas geht auch, hatte der Bärtige in dem Video erklärt. Hauptsache groß genug, dass die Sahne frei hin und her fliegen kann. Also Deckel drauf, fest zudrehen. Sehr fest. Und dann wird
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