Hab ich selbst gemacht
geschüttelt. Langsam, im Sekundentakt, aber kräftig.
Am Anfang geht es noch einfach, im Laufe der Zeit merkeich, wie die Flüssigkeit im Schüttelbecher dickflüssiger wird – Schlagsahne. Die Wände des Bechers sind mit Rahm überzogen. Meine Arme werden lahm. Dieses Geschüttle ist wirklich anstrengend. Aber ich rede mir gut zu: Noch mal, und noch mal, und noch zehn Mal schütteln.
Dann geht es plötzlich wieder ganz einfach, und die Becherwände sind wieder durchsichtig. Ich schraube vorsichtig den Deckel ab, und da schwimmt tatsächlich ein dicker Klumpen Butter in einer milchigen Lache. Vorsichtshalber schraube ich den Deckel noch mal drauf, schüttle noch ein bisschen weiter. Dann gieße ich die Buttermilch ab, fülle den Becher mit etwas Leitungswasser, schüttle wieder ein bisschen, gieße das milchige Wasser ab, noch mal Wasser, noch mal schütteln, noch mal abgießen. Dann kratze ich die Butter mit einem Teigschaber aus dem Becher in eine kleine Plastikdose.
Da liegt sie nun, die Butter. Merkwürdig, wie schnell das ging. Bisher hatte ich mir vorgestellt, dass die Frauen früher stundenlang am Butterfass standen. Ebenso dachte ich, dass man ein solches Butterfass braucht. Dass die ganze Sache mit einem Becher und drei Minuten Schütteln erledigt ist, nun ja, das ist jetzt doch ziemlich unspektakulär. Ein kleines bisschen fehlt da die Freude über den Triumph, die ich sonst beim Selbermachen in der Bauchgegend spüre.
Später, beim Frühstück, schmiere ich mir ein Butterbrot und muss sagen: Ja. Das schmeckt.
»Schmeckt, oder?«, frage ich den Mann.
»Hm, schmeckt«, sagt er.
»Willst du gar nicht wissen, wie das geht?«
»Wenn du es mir erzählen willst, will ich es natürlich gern wissen.«
»Es ist schockierend einfach. Man muss nur schütteln. So lange, bis aus der Sahne Butter geworden ist.«
»Hab ich mir fast gedacht«, sagt der Mann und beißt insein Brot – das heute leider wieder mal etwas zu trocken geworden ist. Ich fürchte, so richtig begeistern konnte ich den Mann mit meinem Selbermachjahr bisher noch nicht.
Ich dagegen freue mich darauf, demnächst mal zu jemandem zu sagen: »Mach doch mal Butter, geht ganz einfach.«
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Tag 55
Das einfache Leben
Am Tag 55, einem Mittwoch, rebelliert der Mann morgens um halb 8 am Frühstückstisch. Er knurrt, als ich ein neues selbst gebackenes Dinkelbrot anschneide. »Gibt es jetzt wirklich nur noch selbst gebackenes Brot?«
»Wieso? Schmeckt’s dir nicht?«
»Ich würde einfach gern mal wieder Brot von der Hofpfisterei essen. Oder Brezen.«
»Gute Idee! Wir könnten Brezen backen, das haben wir noch gar nicht ausprobiert!«
»Wir??«
Okay, ich werde also demnächst versuchen, Brezen selbst zu backen. Der Mann hatte mich ja schon zu Beginn des Experiments gewarnt, dass er nicht alles mitmachen wird. In den letzten Wochen ist mir aufgefallen, wie wenig er zum Frühstück isst. Ich habe ihn im Verdacht, dass er sich auf dem Weg zur Arbeit ein zweites Frühstück beim Bäcker gegenüber kauft. Aber ich spreche ihn nicht darauf an. Denn wenn ich ehrlich bin, sind meine Brote tatsächlich nicht der Hit. Wir haben einige Brote – also, eher viele – gegessen, die besser als Türstopper zur Welt gekommen wären.
Ich brauchte mehr als zwölf Versuche, um das mit der Hefe richtig hinzukriegen. Die Hefe war bisher nicht meineFreundin, sie weigerte sich, ihren Job zu tun. Dabei ist ihr Job doch nur, mit Mehl und Wasser herumzuliegen und dicke Backen zu machen.
Na gut, dafür muss man ihr Zeit geben. Bei den Versuchen zwei bis sieben wollte ich nicht wahrhaben, dass der verdammte Hefeteig wirklich so lange gehen muss. Klar, beim ersten Versuch ist man noch vorbildlich, aber dann fängt man ja auch mal an zu zweifeln, ob das Rezept nicht vielleicht übertreibt oder ob man nicht auch die eine Zutat durch eine andere ersetzen könnte. Zumindest koche und backe ich so. Ich glaube, ich habe in meinem Leben kein Mal den exakt gleichen Kuchen gebacken oder ein bis auf jede einzelne Zutat gleiches Gericht gekocht.
Außerdem muss ich mich in Sachen Brotbacken wirklich fragen: Bitte, wofür braucht die Hefe so viel Zeit? Für keinen Kuchen muss ein Hefeteig so lange stehen. Wieso also bei Brot? Ich meine: Was tut die Hefe in sechs Stunden? Oder bei Sauerteig sogar: in zwanzig Stunden?
Erst bei Versuch elf sah ich ein, dass Brotbacken Zeit braucht. Dass Brot einem einen anderen Lebensrhythmus lehrt. Der Teig muss angesetzt werden, noch bevor sich
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