Hab ich selbst gemacht
Möglichkeit, waschbare Monatshygiene zu benutzen, habe ich bisher nicht in Betracht gezogen. Sozialisation ist alles.
Dabei gibt es Wegwerfbinden, – slipeinlagen und Tampons gerade mal seit gut hundert Jahren, und das auch nur in den Industriegesellschaften. Unsere Urgroßmütter und Großmütter haben noch Lumpen oder gestrickte Einlagen benutzt. Oder wenn sie besonders arm waren: gar nichts.
Dagegen sind die Flügelbinden, für die in Öko- und feministischen Kreisen Nähanleitungen kursieren, richtige Luxusprodukte. Deren Anhängerinnen schwören: Wer sie einmal benutzt, greift nie wieder zu Wegwerfprodukten. Genähte Binden seien nicht nur ökologischer – die Durchschnittsfrau verbraucht in ihrem Leben immerhin rund17 000 Einlagen oder Tampons – und auf lange Sicht preiswerter, sondern verursachten auch weniger Hautirritationen. Vor allem für Frauen, die gerade ein Kind bekommen haben, sei Baumwolle – oder noch besser: Hanf – die ökologischere und gesündere Wahl. Es gibt sogar kleine Unternehmen, die sich auf Textilbinden spezialisiert haben. Im Internet kann man sie in allen Formen und Farben und für zirka zehn Euro das Stück bestellen.
So weit die Theorie.
Jetzt steht die Praxis an.
Anleitungen gibt es im Internet genug, ich habe mir schon vor einigen Tagen eine davon ausgedruckt. Das Prinzip ist einfach: Frottee und Baumwollflannell wird in Form einer Flügelbinde zugeschnitten, zusätzlich schneidet man noch eine oder zwei Lagen Frottee in Form einer Slipeinlage zu – als Verstärkung. An den Flügeln werden Druckknöpfe angebracht oder ein normaler Knopf auf die eine, ein Knopfloch in die andere Seite genäht.
Ich brauche einige Versuche, bis ich das mit den Flügeln und Kurven für meine Vorlage richtig hinkriege. Fehlen nur noch Stoffe. Für die Frotteeschicht und – einlage erkläre ich einem alten Handtuch sein Dienstende und schneide einmal die Flügelform und zwei Streifen für das Futter zu.
Als Oberstoff will keiner der Stoffe in meinen Kisten so richtig passen. Ich suche nach etwas rot Gemustertem. Erst ganz unten in einer der Kisten finde ich in einer Tüte mit vielen kleinen Stoffresten ein paar Quadratzentimeter rot geblümten Stoff. Passt. Und von der Größe gerade so ausreichend. Ich schneide die Flügelformen zu, setze mich mit allen Einzelteilen an die Nähmaschine, nähe Inlay auf Frotteeflügelteil, darauf die eine Seite des Oberstoffes und darauf rechts auf rechts die andere Seite des Oberstoffes. Ich wende alles und steppe die Kante noch einmal ab. Zum Schluss mache ich ein Knopfloch in einen Flügel und nähe einen Knopfauf den anderen Flügel, denn leider habe ich keinen solchen Apparat, mit dem man Druckknöpfe in Stoffe schießen kann.
Und so sitze ich, zweieinhalb Stunden nachdem ich mit einem Bleistift elliptische Formen auf ein Stück Papier gemalt habe, mit einer geblümten Baumwollbinde in der Hand vor meiner Nähmaschine. »Hübsch«, sagt der Mann, als er in die Küche kommt, und grinst mich dabei breit an.
»Viel zu hübsch zum Anziehen«, sagt die beste Freundin, als ich ihr mein Tagewerk am Abend zeige.
»Ich werde sie anziehen müssen«, antworte ich.
»Selbst schuld.«
Ja, selbst schuld. Der Kindergeburtstag ist vorbei.
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Tag 106
Warum Stricken das neue Cool ist
Ich wähle eine Frankfurter Nummer, es klingelt, dann nimmt die Kulturwissenschaftlerin Elke Gaugele ab und wünscht mir einen guten Abend. Wir haben uns vor ein paar Tagen für heute am Telefon verabredet, um darüber zu reden, warum Stricken manchmal als cool, sexy, trendy gilt – zum Beispiel bei Sarah Jessica Parker – und manchmal einfach nur Stricken ist – zum Beispiel bei mir.
Also, warum? »Es kommt auf den Kontext an«, sagt Elke Gaugele. »Wenn die Grünen sich in ihren Anfangsjahren in den Bundestag setzten und strickten, war das eine politische Aussage. Sie provozierten, indem sie zeigten: Ich kann nebenher auch noch gut was anderes machen.«
»Stricken gilt ja jetzt wieder als cool«, sage ich. »Meine Oma hat ihr Leben lang gestrickt, war aber eher nicht Teil einer Avantgarde.«
Nicht allein die strickende Person sei entscheidend, sondern auch die gesellschaftlichen Umstände, sagt Elke Gaugele. Meine Oma gehe demnach mit einem ganz anderen Bewusstsein ans Stricken heran als die jungen Menschen, die sich zu Knit-ins, also zum öffentlichen Stricken in der Gruppe, zusammenfinden. Trotzdem habe auch meine Oma vermutlich schon einen Wandel der Handarbeit
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