Hab ich selbst gemacht
vorgestellt, dass sie nach dem heißen Bad dicker wäre.
Doch auch eine halbe Stunde später sieht die Breze noch genauso aus – ebenso wie ihre Artgenossen, die mit ihr gemeinsam seit zwanzig Minuten im Ofen backen. Gut, ein bisschen runder sind sie schon geworden, und am Bauchsind einige von ihnen auch hübsch aufgeplatzt, aber sie haben weder Brezngröße noch – farbe. Sie sind bleich wie Kaiserbrötchen.
Und sie sind es noch immer, als die Backzeit um ist. Ich gebe ihnen weitere zwei Minuten – immer noch bleich –, dann noch mal zwei – bleich – und dann noch mal volle fünf Minuten bei 20 Grad Celsius mehr und eingeschaltetem Grill.
Es nützt alles nichts. Die Brezen bleiben unattraktiv. Aber hässliche Backwaren bin ich mittlerweile gewöhnt. Wir decken den Brotzeittisch, ich schmiere Butter auf eine Ecke meiner Zwergenbreze und beiße hinein. Es kracht.
Der Mann beißt. Es kracht. Ein Breznbruchstück bohrt sich schmerzhaft in mein Zahnfleisch.
Wir beißen krachend in unsere blöden, selbst gemachten Brezen, kauen vorsichtig. Sie schmecken schon okay, sind aber keine Brezen.
»Wir müssen ein anderes Rezept ausprobieren«, sage ich zum Mann. »Kann ja nicht sein, dass wir keine vernünftigen Brezen hinkriegen.«
Allerdings ist meine Motivation, mich noch mal als Breznbäckerin zu versuchen, momentan nicht allzu groß. Scheitern ist scheiße.
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Tag 101
Rot geblümt & selbst genäht
Die letzten hundert Tage waren Kindergeburtstag im Vergleich zu dem, was ich heute vorhabe. Heute wird es hart und komisch, denn Selbermachen kann einen in sehr merkwürdige Bereiche führen.
Vor allem, wenn man Freunde hat wie ich, die einem dauernd seltsame Projekte vorschlagen. So geschehen beim Faschingsessen im Februar, bei dem ich mich für meine fettigen Krapfen geschämt habe. Nach dem Essen hatte es als Verdauungshilfe Grappa gegeben, und die beste Freundin hatte mich nach dem Stand meines Selbermachjahres gefragt. So laut, dass das Gespräch am Tisch zum Erliegen kam und mich alle anstarrten und warteten, was ich erzählen würde.
Ich berichtete von meinem Plan, mir in diesem Jahr ein Kleidungsstück nach einem eigenen Entwurf nähen zu wollen, und dass mir meine Vermieterin erlaubt hat, auf dem Garagendach einen Gemüsegarten anzulegen.
Während ich erzählte, füllten und leerten sich unsere Grappagläser mehrmals. Und ich wurde mit Ideen bombardiert: Ob ich schon überlegt hätte, Strom selber zu machen.
»Oder Kaugummi.«
»Klopapier!«
»Klopapier? Wieso denn bitte Klopapier?«
Mit jedem weiteren Grappa wuchs die Liste der absurden Vorschläge. »Du könntest ein Schwein schlachten!« – »Ich bin Vegetarierin.«
»Aber Messer schmieden!«
»Ich kannte mal eine, die hat Wolle selbst gesponnen.«
»Oder wie wär’s mit Reisanbau?«
So ging es noch eine ganze Weile. Ein paar Ideen erschienen mir gar nicht so doof. Allerdings war ich nicht sicher, ob das nur an meinem eigenen Grappa-Konsum lag.
Und dann fiel das Wort »Monatshygiene«. Binden. Ich solle mir Binden selber machen, sagte eine Frau, die ich nicht mal kannte – die Nachbarin der besten Freundin.
»Ich meine das ernst, es gibt viele Frauen, die nähen sich ihre Binden selber. So Ökos. Feministinnen.«
»Ich bin Feministin und noch nie auf die Idee gekommen, mir meine Binden selber zu nähen«, antwortete ich.
»Na dann wird’s Zeit«, sagte sie.
In den Tagen danach dachte ich immer mal wieder an diesen Vorschlag. Und mir wurde klar: Wenn ich das mit dem Selbermachen ernst meine und auch Grenzbereiche ausloten will, muss ich auch so etwas machen. Ich werde mir Binden nähen müssen.
Aber obwohl ich in meinem Entschluss so streng mit mir war, fallen mir Woche für Woche wichtigere Dinge ein, die ich unbedingt ausprobieren muss. Seit Februar. Zum Anfang jeder neuen Woche denke ich mir: Am Wochenende nähst du endlich so ein Ding. Aber spätestens am Freitag finde ich eine Ausrede, um andere Wochenendpläne zu machen. Denn ehrlich gesagt fürchte ich mich ein bisschen vor dieser Erfahrung. Eigentlich nicht nur ein bisschen. Sondern sehr.
Ich bin nun mal mit Wegwerfprodukten aufgewachsen. Okay, meine ersten Lebensjahre habe ich in Baumwollwindeln verbracht. Das finden viele Menschen für ihre eigenen Kinder oder vor allem für sich selbst – als diejenigen, die die Windeln waschen müssen – heute ebenfalls inakzeptabel. Für mich ist es einfach eine von zwei Möglichkeiten, sein Kind zu wickeln. Aber die
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