Hab ich selbst gemacht
Selbermacher hier nicht so wahnsinnig politisch vor.«
»Stimmt schon. Die Do-it-yourself – Bewegung in den USA ist Teil eines gesellschaftlichen Wandels, die ist wirklich sehr stark politisch motiviert. Das ist ein breites gesellschaftliches Phänomen. Bei uns spielt die Politik dabei nicht so eine große Rolle. In Deutschland hatte die Ökologiebewegung einen immensen Einfluss auf die Idee des Do it yourself, was am Hausfrauenimage des Selbermachens aber nicht unbedingt etwas verändert hat. Erst jetzt sehe ich Ansätze einer echten Subkultur. Die ihre politischen Ziele aber noch finden muss.«
Ich frage mich jedoch, ob man überhaupt noch von einer Subkultur sprechen kann, wenn alle großen deutschen Zeitungen und Magazine Geschichten darüber bringen, dass die Deutschen das Gärtnern, Stricken und die Baumärkte wiederentdecken. Politik erscheint mir da relativ. Wenn Schrebergärten wieder in sind und mit Manufaktum-Möbeln und schickem Kugelgrill ausgestattet werden, wenn sich selbst gestrickte Kindersachen in kleinen Läden hundertfach und teuer verkaufen oder in Baumärkten nie so viel Umsatz gemacht wurde wie im Jahr 2010, ist das Selbermachen in Deutschland doch auch immer noch ein – vor allem: rasant wachsender – Teil unserer Konsumgesellschaft. Es scheint beides zu geben: Selbermachen, das im Mainstream angekommen ist, für das ein eigener Markt entsteht, und Selbermachen, das Menschen für sich als Alternative zu gekauften Produkten entdecken.
Aber ich muss Elke Gaugele noch einmal fragen, wie ich denn nun Stricken von Stricken unterscheide, also das konsum- oder gesellschaftskritisch gemeinte vom einfachen Freizeit-Stricken.
»Manchmal ist es echt knifflig«, sagt sie. »Neulich zum Bespiel saß im Flugzeug vor mir eine Frau, die strickte. Ihre Motivation ist natürlich nicht so leicht zu durchschauen wie bei einer Gruppe strickender Menschen bei einem Knit-in. Einerseits wurde einfach nie in Flugzeugen gestrickt, es könnte also schon eine Haltung hinter dem Tun dieser Frau stecken.«
»Nach dem Motto: Ihr tut hier alle so superwichtig oder businessmäßig, macht euch mal locker?«
»Ja, vielleicht. Andererseits strickt sie vielleicht einfach gern und macht sich um den Ort gar keine Gedanken.«
Auf jeden Fall muss ich das Stricken in der Öffentlichkeit ausprobieren. Ich will sehen, wie die Menschen reagieren. Ob Stricken wirklich revolutionär sein kann.
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Tag 114
Eine Frage der Gärtnerehre
Wir verbringen das letzte April-Wochenende bei den Eltern des Mannes auf dem Land, und gleich nach der Begrüßung verkrümle ich mich mit der Mutter des Mannes in den Garten. Ihr Garten ist riesig und wunderbar: Er zieht sich an drei Seiten des Hauses entlang, unterhalb der Terrasse wachsen das halbe Jahr über Blumen in allen Farben und Größen, dahinter erstreckt sich eine Wiese, an deren Ende ein Fußballtor steht – dem Mann und seinen drei Neffen ist dieser Teil des Gartens der liebste. Die Mutter des Mannes und ich lassen die Fußballwiese links liegen, gehen am Schuppen vorbei und um den Weiher hinterm Haus herum, zu den Gemüsebeeten. Auf einem Beet steht ein dicker Rhabarber, einen Meter weiter zeigen ein paar Erdbeerpflanzen ihre ersten Blüten. Im Frühbeet stehen einige Salatköpfe, aber auch draußen auf den Beeten strecken bereits Salate ihre Blätter in die Frühlingsluft.
Ich bitte die Mutter des Mannes um ein Gartenfachgespräch. Meine Kürbispflanze zu Hause am Balkon öffnet nämlich eine Blüte nach der anderen, aber ich kann keine Kürbisse in oder hinter der Blüte erkennen, und eigentlich funktionieren doch Pflanzen so: Sie blühen, dann fällt die Blüte ab, und übrig bleibt eine Frucht, die dann wächst und reift. Bis man sie erntet.
Aber bei mir wächst nichts, außer dem Gedanken, dass ich etwas falsch gemacht habe. Im Selbstversorgerbuch steht im Kapitel über die Zucchini etwas von Bestäuben per Hand, vielleicht muss ich das auch bei den Kürbissen machen, die sind ja nah verwandt mit den Zucchini? Aber da steht auch etwas von weiblichen und männlichen Blüten, und wenn ich meine Blüten beziehungsweise die meiner Kürbispflanze mit dem Bild im Buch vergleiche, dann sind das alles nur männliche Blüten. Große Verwirrung also bei mir. Ich brauche Hilfe.
Aber die Mutter des Mannes zuckt nur mit den Schultern. Sie sagt: »Ich bestäube da nix, und es klappt trotzdem.« Aha. Und woher dann die Früchte kommen, will ich weiter wissen: »Na aus den Blüten,
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