Hab ich selbst gemacht
vermute ich«, sagt sie. »Ich hab noch nie nachgeschaut. Die sind dann immer einfach da.«
Das ist jetzt nicht die Anleitung, die ich erhofft hatte. Meine Verwirrung ist genauso groß wie zuvor. Eigentlich ist sie sogar noch größer geworden, denn wieso hat die Mutter des Mannes überhaupt schon Pflanzen draußen stehen? Was ist bitte mit den Eisheiligen? Sie zuckt wieder die Schultern: »Da geb ich nix drauf.«
»Aber wenn dann alle Pflanzen erfrieren …«, sage ich unsicher.
»Wenn noch mal Kälte angesagt wird, deckst du die Pflanzen halt ab.«
Klingt gut. Klingt einfach. Aber warum wird einem dann überhaupt von den Mitmenschen so viel Angst vor diesen verdammten Eisheiligen gemacht?
Ich fühle mich mit all den Gartenproblemen wie eine Totalanfängerin, ständig unsicher, was nun richtig ist und ob es wohl fahrlässig ist, einfach mal loszulegen, wie ich es sonst so gern tue.
»Weißt du«, sagt die Mutter des Mannes, »ich bin mit dem Garten meiner Mutter aufgewachsen, und trotzdem ist bei mir erst mal total viel schiefgegangen. Man muss halt rumprobieren.«
»Hast du gar nichts gelesen, wie’s geht?«, frage ich.
»Doch, klar. Aber ob’s was bringt? Du weißt doch, was man über die dümmsten Bauern sagt. Mit den dicksten Kartoffeln und so. Und genau so ist es. Im ersten Jahr, als ich noch nicht die geringste Ahnung hatte, hatte ich mehr und bessere Kartoffeln als jemals danach.«
Die Mutter des Mannes hat mich überzeugt, hat mein Trotz-Zentrum anspringen lassen. Ich bin ein dummer Bauer, deswegen sollte ich auch darauf vertrauen, die dicksten Kartoffeln zu ernten. Ich werde es einfach probieren. Und auch die blöden Eisheiligen können mich nicht mehr aufhalten, es muss jetzt losgehen, bevor meine Energie verpufft. Nächstes Wochenende fange ich an!
Außerdem ist es ja nicht so, als müssten der Mann und ich elendig hungern, sollte das mit dem Gemüse aus eigenem Anbau nicht klappen. Meine Gartenehre wäre dahin. Aber scheiß drauf.
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Tag 121
Unkraut raus, Gemüse rein!
Ich öffne vorsichtig ein Auge und linse auf den Wecker. Sieben Uhr dreißig.
Reicht. Samstag hin oder her. Beide Augen auf, Beine aus dem Bett – heute ist Gartentag. Endlich!
Ich koche Kaffee, und ein paar Minuten später sitzt der Mann gegenüber am Frühstückstisch. Kaffeeduft funktioniert immer. Wir essen, der Mann schweigt verschlafen, und ich freue mich auf den heutigen Tag: »Wie viele Zucchinisamen soll ich denn in die Erde stecken? Man soll ja immer mehr nehmen und später nur die kräftigste Pflanze großziehen … Beim Kürbis ist auch nur einer von vieren richtig gut geworden … Magst du Bohnen sehr gern? Dann mache ich ein paar mehr … Und sag mal, müssen die Tomaten schattig oder sonnig stehen? Die heißen doch Nachtschattengewächse. Aber nachts ist es eigentlich immer schattig …«
Der Mann brummt und kaut weiter an seinem Brot.
Ich bin schnell satt, mag lieber gleich loslegen, alles zusammenpacken, was ich brauchen werde. Ich wickle vier verschrumpelte Kartoffeln aus Zeitungspapier aus und lege sie auf den Tisch. Vor ein paar Wochen habe ich sie – es ist meine Lieblingskartoffelsorte, eine rotschalige, die wir immer über unsere Gemüse-Abokiste vom Bauernhof geliefert bekommen – dick in das Zeitungspapier eingewickelt, und jetzt haben sie schon etwa ein Zentimeter lange Triebe und müssen raus in die Erde.
»Willst du die noch essen?«, fragt der Mann mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck.
»Nein, einpflanzen.«
»Wieso das denn?«
»Weil daraus dann ganz viele Kartoffeln werden, Stupid.«
»Glaub ich nicht.«
»Ist aber so.«
»Wieso sollte das so sein?«
»Aus der Kartoffel wächst eine Pflanze, und an der sind unten dran ganz viele neue Kartoffeln.«
»Wieso sollten da neue Kartoffeln dran sein? Wenn, dann hängt doch der Nachwuchs oben an der Pflanze.«
Nun bin ich auch ratlos. Keine Ahnung, warum das da unter der Erde viele Kartoffeln werden. Aber es ist nun mal so.
Ich zucke mit den Schultern und gehe zum Balkon, um meine Kürbispflanze zu holen, die die letzten Nächte schon draußen verbracht hat, da erhebt sich auch der Mann und brummt überraschend: »Ich hol mal die Kübel vom Dachboden runter.« Ich muss also anscheinend nicht allein in den Garten, sondern bekomme Hilfe vom Mann.
Mein frühreifer Kürbiszögling strahlt mir entgegen, als ich die Balkontür öffne, er hat schon wieder eine neue Blüte, er sieht prächtig aus. Dabei habe ich jeden Morgen, wenn
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