Hab ich selbst gemacht
oder anderen Meter, meistens preisgesenkte Gelegenheitskäufe – in der Hoffnung, mich würde ganz bald die große Nählust überkommen. Sie kam leider nie.
Einen Korb nach dem anderen ziehe ich heraus, treffe eine engere Auswahl von sechs verschiedenen leichten Baumwollstoffen, entscheide mich per Eene-meene-muh für einen dunkelroten mit gelben und schwarzen Streifen. Das wird eine fröhliche Schlafanzughose.
Passend zum Stoff lege ich beschwingte Musik auf, dann geht es los: bügeln, zuschneiden, abketteln, zusammennähen, Saum und Bund umnähen. Das alles dauert nur eine gute Stunde.
Während ich nähe, fürchte ich allerdings, dass mir gleich die Nähmaschine auseinanderfällt. Sie quietscht und ächzt, als wäre sie schon hundert Jahre alt. Ich beschließe, das Gummiband später in meine neue Schlafanzughose einzuziehen und zuerst meiner Nähmaschine einen Frühjahrsputz zu gönnen.
Ich drücke am CD – Spieler noch einmal auf »Play«, bürste mit einem langen Pinsel alle Teile ab, die ich erreichen kann. Ich puste kräftig in die Maschine und tropfe etwas Öl an alle Stellen, die sich irgendwie bewegen. Das Quietschen wird tatsächlich leiser. Auf den Stoffresten stichle ich ein paar Extrarunden mit der Maschine, damit überschüssiges Öl wieder herauskommt – und auch das Rattern ist leiser geworden. Meine Nähmaschine schnurrt wie ein junges Kätzchen. Ich kann jetzt die Musik sogar nicht mehr nur in den Nähpausen hören.
Gut gelaunt mache ich mich ans ungeliebte Bügeln: Die Seitennähte der Hosenbeine müssen innen auseinandergebügelt werden, damit sie später nicht an der Haut reiben. Was ein Krampf ist, denn dabei kriegt das Hosenbein gleich eine Bügelfalte, allerdings innen. Die man dann wieder rausbügeln muss. Anstrengend ist das.
Ein Ärmelbrett bräuchte ich. Damit kann man die Naht wunderbar auseinanderbügeln. Ich sollte mir so etwas unbedingt besorgen, sonst könnte dieses Schneiderjahr ganz schön nervig werden.
Der Mann kommt nach Hause, als ich gerade die Küche aufräume, die Nähmaschine zurück in die Lücke zwischen Bücherregal und Schreibtisch und das Bügelbrett in die Abstellkammer stelle.
»Schau, meine neue Schlafanzughose!«, rufe ich.
»Interessante Farbe«, sagt er.
»Ich muss nur noch den Gummi einziehen, dann kann ich sie heute Nacht gleich tragen.«
»Viel Spaß!«, wünscht mir der Mann.
Und ich denke mir: Eigentlich super, Selbermachen ist immer Just-in-time – Produktion. Keine Vertriebswege, kein Verpackungsaufwand, keine Lagerung, kein Herumliegen im Laden. Machen und essen. Machen und anziehen. Machen und benutzen. Die Frage ist nur, wie lange das Machen dauert.
Heute ging es besonders schnell. Das Gummiband ist mithilfe einer Sicherheitsnadel ruck, zuck eingezogen – Gummibandende mit Sicherheitsnadel aufspießen und durch einen Schlitz in den Hohlraum am umgenähten Bund stecken, und dann Zentimeter für Zentimeter die Sicherheitsnadel nach vorn verschieben, das Gummiband zieht sie so hinter sich her.
Dann ist sie fertig, meine neue Schlafanzughose, an nur einem Abend.
Ich probiere sie an. Wild sieht sie aus. Aber auch ein bisschen unförmig. Nachdenklich schaue ich sie im Schlafzimmerspiegel an. Was stimmt mit dieser Hose nicht? Der Mann kommt ins Zimmer und schaut, als würde er sich genau die gleiche Frage stellen. Was stimmt mit dieser Hose nicht? Sie ist über dem Hintern ein kleines Stückchen zu kurz, und vorne beult sie sich ein bisschen aus. Ich ziehe sie aus und andersherum wieder an. Gleiches Ergebnis: Vorne ist eine Beule, hinten könnte sie etwas höher sitzen.
Ich hätte vielleicht doch separate Vorder- und Hinterteile zuschneiden müssen. Allerdings kann ich auch jetzt, als ich die alte Schlafanzughose wieder und wieder zusammenfalte und drehe und andersherum zusammenfalte, nicht sehen, wo der Unterschied sein soll. Sie sehen absolut gleich aus. Bloß angezogen eben nicht. Na gut, vielleicht liegt bei der alten Hose der vordere Saum doch ein kleines bisschen tiefer als der hintere, muss ich nach weiterer genauester Untersuchung zugeben. Ich müsste also eigentlich bei meiner neuenHose den Saum noch mal auftrennen, vorne zwei Zentimeter tiefer ausschneiden und hinten noch einen schmalen Streifen anstückeln.
Andererseits ist es nicht so, dass mein nackter Hintern rausschauen oder mich die Beule auf der Vorderseite besonders stören würde. Es ist meine Schlafanzughose, selbst gemacht, basta.
Und bei der »echten« Hose mache
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