Hab ich selbst gemacht
»einfache Leben« mal so in echt auszuprobieren. Für zwei Wochen. Auf einer Hütte in den österreichischen Bergen.
Deswegen hacken wir seit anderthalb Wochen jeden Morgen einen großen Korb voll Holz. Deswegen müssen wir für jede heiße Dusche einen Badeofen einheizen. Deswegen laufen wir alle zwei Tage zu einer Quelle, um die Wasserkanister aufzufüllen. Deswegen waschen wir unsere Wäsche mit der Hand. Deswegen habe ich im Urlaub überhaupt erst ein einziges Buch gelesen. Ein ganzer Stapel liegt auf dem Stubentisch. Aber ich habe ja den ganzen Tag anderes zu tun.
Es war eine ganz und gar dumme Idee, das einfache Leben zu erproben.
Solange dieses einfache Leben im Komfort des Alltags stattfindet und eine freiwillige Entscheidung ist, ist es schön und gut, merke ich. Wenn es aber zur Notwendigkeit und zur einzigen Option wird, ist es gar nicht mehr so romantisch, sondern Arbeit rund um die Uhr. Das war mir zwar irgendwie auch klar – immerhin ging es ja zum Beispiel den 20 Protagonisten in »Abenteuer 1900« genauso. Aber die haben zumindest eine Zeitreise gemacht. Wir dagegen sind nur 1500 Meter in die Höhe gefahren.
Idyllisch klingt so ein Leben auf der Hütte auch nur, solange die Sonne scheint. Dann muss die Stube nicht eingeheizt werden und stattdessen kann man den ganzen Tag über grüne Wiesen hüpfen, ein paar Kühe umschubsen und sich in Heuhaufen werfen. Aber das Bild sieht ganz anders aus, wenn es immer nur um die 15 Grad Celsius sind wie in den vergangenen Tagen, von denen auch nur an zweien die Sonne geschienen hat. Ansonsten war es zwar trocken, aber grau. Draußen war es eher ungemütlich. Drinnen musste eingeheizt werden.
Der Mann versucht, den Urlaub schönzureden: »Zu Hause hätten wir nie Ravioli selbst gemacht.«
»H-hm.«
»Überhaupt ist es doch sehr schön, genug Zeit für richtiges Kochen zu haben.«
»Ja, vielleicht.«
Wir haben die Nudelmaschine mit auf die Hütte gebracht und deswegen tatsächlich große Teigplatten ausgerollt und gefüllte Ravioli selbst gemacht. Sehr lecker. Sehr viel besser als gekaufte, da hat der Mann recht. Und: Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Spätzle selbst gemacht. Hier oben lag im Küchenschrank eine Spätzlereibe, also rührten wir Eier, Mehl und Wasser zusammen und kratzten den zähflüssigen Teig durch die Löcher in der Reibe, rein in kochendes Wasser. Dieses Abendessen war sehr viel leckerer als alle gekauften Spätzle, die ich bisher gegessen habe, das muss ich zugeben.
Aber an einem Tag zum Beispiel wollten wir gern Pilze kochen. Also gingen wir in den Wald und suchten nach Pilzen. Ich trug einen Korb, der Mann hatte ein Pilzbestimmungsbuch in der Hand, das wir in der Hütte gefunden hatten und das uns auf die Idee mit dem Pilzgericht gebracht hatte. So liefen wir dann, eine Stunde, zwei Stunden, bückten uns nach Pilzen und versuchten herauszukriegen, was uns da gegenüberstand. Nur dass wir einfach nie sicher waren, ob es ein essbarer Pilz war oder einer, der uns schnurstracks umbringen würde.
Also gab es am Abend keine Pilzpfanne, sondern für jeden zwei Käsebrote.
Das ist genau der Unterschied: Plötzlich, außerhalb der Wohlstandsgesellschaft, ist man von den eigenen Fähigkeiten abhängig, von der Arbeit der eigenen Hände und vom Wissen übers Selbermachen. Es ist nicht nur »Punk«, wie mal ein T-Shirt selbst zu bemalen, sondern: existenziell.
Erst am Abend kriegt unser Urlaub wieder etwas Romantisch-Idyllisches: Die Stube ist schön warm, wir haben gut gegessen, und es bleiben noch zwei, drei Stunden Abendbeschäftigung. Ich setze mich mit dem Strickzeug auf dieOfenbank. Der Pullover nimmt langsam Gestalt an; für so ein Projekt ist ein Hüttenurlaub genau das Richtige.
In den ersten Tagen haben der Mann und ich abends noch das Scrabble-Brett ausgepackt, aber der Mann macht mich dabei wahnsinnig. Weil er sich in jeder Runde bis zu 15 Minuten Zeit nimmt, um alle sieben Steine anlegen zu können und den Bonus zu kassieren, weigere ich mich, weiter mit ihm zu spielen. »Ich sehe überhaupt nicht ein, mich hier ins Koma langweilen zu lassen, weil du so lange überlegst. Und dann auch noch zu verlieren«, beendete ich das Thema Scrabble.
Also stricke ich jetzt. Ich habe auf Brusthöhe des Pullovers angefangen, kleine Löchlein in das Muster einzustricken, jawoll! Die beste Freundin hat mich animiert oder, mehr noch, gezwungen. Vor dem Urlaub hatten wir uns zu einem Strick-Kaffeekränzchen getroffen, und da zeigte sie
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