Hab ich selbst gemacht
nicht.
Und egal, wofür ich mich entscheide, ich muss es nähen.
Deswegen schreibe ich dem Mann recht entschlossen zurück: »An diesem Tag werde ich leider irgendetwas vorhaben.« Er ruft an und überzeugt mich auf die ganz billige Tour, dass ich mitkommen muss: »Ich brauche dich da. Als Unterstützung. Wann krieg ich denn schon mal einen Preis? Du bist doch der wichtigste Mensch in meinem Leben.« Den will ich sehen, der bei einer solchen Bitte Nein sagt.
Ich brauche also etwas zum Anziehen. Und wäge ab: Wie hoch sind die Chancen, dass ich ein langes Abendkleid ein zweites Mal anziehe? Oder ein Cocktailkleid? Ich schätze die Chancen des Abendkleides auf vielleicht 1:7300, sprich einenAbend in den nächsten zwanzig Jahren. Das Cocktailkleid gewinnt, das kann ich vielleicht zu meinem 40. Geburtstag noch mal rauskramen, sollte ich bis dahin bei eigenen Feierlichkeiten Wert auf schicke Kleidung legen.
Außerdem fällt mir ein, dass mir in dem easy-fashion – Heft mit der Hose, die immer noch unvollendet auf meiner Kommode liegt, ein Cocktailkleid ziemlich gut gefallen hatte.
Es ist also gar nicht so schlecht, dass die Einladung zu einem Abend inmitten aufgebrezelter Menschen genau jetzt kommt und mich an die Nähmaschine zwingt. Ich werde mir ein Cocktailkleid nähen, und zwar in den nächsten … ich schaue erneut auf die Einladung … okay, also in den nächsten … ich schaue noch mal auf das Datum und zähle mit erhobenen Augenbrauen nach. Dreißig Tagen. Ich werde mir also in den nächsten vier Wochen ein Cocktailkleid nähen.
Am Abend mache ich mich mal wieder auf den Weg in die Stoffabteilung des örtlichen Kaufhauses. Ich streife durch die Gänge, umkreise einmal, zweimal die Tische mit den Stoffballen, befühle Dutzende von Materialien und frage mich: Was für einen Stoff zum Teufel kauft man, wenn man an einem schicken Abend nicht albern aussehen will? Und vor allem auch: Welcher Stoff lässt sich so verarbeiten, dass anschließend nicht jede schiefe Naht zu sehen ist? Auch wenn ich natürlich hoffe, dass das Kleid fantastisch aussehen wird, sollte ich besser mit genau diesen schiefen Nähten rechnen. Und egal, wie das Kleid aussehen wird: Ich muss es tragen. Und zwar inmitten eines Publikums, das das Naserümpfen vermutlich extrem gut beherrscht.
An einem Stapel mit verschiedenfarbigen Ballen Taft bleibe ich stehen. Der Stoff ist fein, aber auch etwas steif, er ist bestickt, und er glänzt matt, genau das Richtige für ein Cocktailkleid. Und das Beste: Die Stoffe gibt’s zum halben Preis. Das reduziert auch den Nervenkitzel beim Nähen.
Jetzt muss ich mich nur noch entscheiden: zwischen demschwarzen Taft, auf den schwarze Blüten gestickt sind, und dem schokoladenbraunen mit der türkisen Stickerei und vereinzelten Pailletten in Türkis.
Der zweite Stoff würde besser zu mir passen, schwarze Sachen besitze ich eigentlich überhaupt nicht, sie sind mir zu langweilig. Der schwarze Stoff allerdings passt besser zum Smoking des Mannes. Eine Viertelstunde drehe ich mich abwechselnd mit dem einen und dem anderen Stoffballen in der Hand vor dem Spiegel und versuche, die interessierten Blicke der Verkäuferinnen zu ignorieren. Und gerade als ich beschlossen habe, den braunen Stoff zu nehmen, lege ich ihn doch zurück und schreite entschlossen mit dem schwarzen zur Kasse. Türkise Stickereien und Pailletten sind einfach zu auffällig für den Fall, dass das Kleid eine Katastrophe wird.
Als ich nach Hause komme, zeige ich dem Mann Stoff und Schnitt, er gibt mir einen Kuss, nickt anerkennend und sagt: »Viel Glück.« Witzbold.
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Tag 241
Das Kleine Schwarze
»Das sieht doch schon ziemlich gut aus«, sagt der Mann am Abend. Ich drehe mich vor ihm in einem schwarzen Kleid, das größtenteils nur von Stecknadeln oder Heftfaden zusammengehalten wird.
Am Mittwochabend hat mich der Mann zu meiner Stoffwahl beglückwünscht, am Donnerstagabend habe ich das Schnittmuster für ein Kleid im Empire-Stil – das heißt: mit einer nach oben unter den Busen verrutschten Taille – ausgeschnitten und die Nähanleitung studiert. Am Freitagabendhabe ich den gekauften Stoff gebügelt, auf dem Wohnzimmerboden ausgebreitet, die Schnittmusterteile aufgepinnt, angezeichnet und mit klopfendem Herzen und meiner neuen scharfen Schneiderschere ausgeschnitten. Gestern habe ich einen kühlen, verregneten Samstag damit verbracht, alle Teile mit Zickzackstich einzufassen, noch einmal schnell zu bügeln und in der Stadt
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