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Hab keine Angst, mein Maedchen

Hab keine Angst, mein Maedchen

Titel: Hab keine Angst, mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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getragen. Eigentlich den ganzen Tag über. Sie hatte ihn nur ausgezogen, wenn sie zu Tisch ging oder sich eine Pause in ihrer Sofaecke gönnte.
    Die alte Frau ließ sich durch Frau Bremers Anwesenheit in keiner Weise stören. Sie spuckte ungeniert auf ihr Taschentuch und bearbeitete damit die Sitzpolster des Stuhls.
    »Ohne Fleiß kein Preis«, lobte Frau Bremer sie dafür auch noch. Die Alte nickte zufrieden, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Wertschätzende Grundhaltung in der Kommunikation mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, schoss es mir durch den Kopf. Frau Bremer verstand etwas davon. Man nahm ihr die ehrliche Anteilnahme sogar ab. Mit ihrer sensiblen Art hatte sie selbst mir das Gefühl von Geborgenheit vermitteln können. Als ich nach diesem schrecklichen Albtraum völlig neben mir stand. Zumindest für einen kurzen Augenblick. Bis auch Frau Bremer mit der Dr.Ohlsen-Nummer angefangen hatte. Blieb die Frage: Warum redete sie mit mir wie mit einer zeitverrückten Verwirrten? Und wo, zum Kuckuck, war ich hier gelandet?
    Bevor ich mich zum Weitergehen aufraffen konnte, hatte mich Frau Bremer entdeckt. Sie kam lächelnd auf mich zu.
    »Frau Meinberg, da sind Sie ja schon. Kommen Sie. Ich zeige Ihnen den Frühstücksraum.«
    Mit einem Blick auf die fleißig Putzende erklärte sie ungefragt: »Frau Hartwig kommt später nach. Sie hat noch keine Zeit.«
    Ich schaute weg. Glaubte sie wirklich, ich sah nicht, dass diese Frau Hartwig sich in einer ganz anderen Zeitebene befand und auf dem Trip war, wie eh und je ihren Haushalt zu führen? Unwichtig. Sie konnte von mir aus glauben, was sie wollte.
    Ich beäugte Frau Bremer von der Seite. Sollte ich es wagen und sie nach einem Telefon fragen? Etwas hielt mich davon ab. Diese Frau war zweifellos überaus freundlich. Aber irgendwie war ich sicher, dass ihre Freundlichkeit klare Grenzen hatte. Grenzen, die ich nicht überschreiten durfte. Ich musste mich möglichst unauffällig verhalten und der Situation anpassen. Frau Bremer sollte ruhig annehmen, dass meine Aufmerksamkeit einzig und allein auf das bevorstehende Frühstück gerichtet war.
    Der Flur endete in einem offenen Tagesraum. Dort befand sich auch der Fahrstuhl. Die Türen öffneten sich leise surrend. Ich zögerte. Fahrstühle mied ich normalerweise. Nicht, weil ich unter Klaustrophobie leide. Sondern ich nutzte am Tag einfach jede Möglichkeit zum Training. Ich konnte nicht nachvollziehen, wie man für eine Etage in einen Fahrstuhl steigen oder sich auf eine lahmarschige Rolltreppe stellen konnte. Selbst wenn es treppab ging. Nun, bei diesen Fußfaulen sah die Waden- und Schenkelmuskulatur dementsprechend aus.
    »Wollen Sie lieber die Treppe nehmen?«, fragte Frau Bremer. Ich sah sie irritiert an. Diese Frau war eine gute Beobachterin. Sie hatte mein Zaudern längst bemerkt und richtig interpretiert. Ich nickte.
    »Ja, immer mobil bleiben«, bekräftigte sie mein Vorhaben freundlich. »Wer rastet, der rostet.«
    Ich gestand mir peinlich berührt ein, dass mich ihr Lob sogar gefreut hätte, wenn ich nicht gerade Zeugin der Putzszene geworden wäre.
    Frau Bremer begleitete mich ins Treppenhaus. Ich wollte wie gewohnt im lockeren Lauf die ersten Stufen nehmen, aber meine Beine folgten mir nicht. Sie reagierten eigenartig unbeholfen, und ich kam ins Stolpern. Frau Bremer musste beherzt zugreifen, um mich vor einem Sturz zu bewahren. Meine Güte, war mir das unangenehm.
    »Geht schon«, knurrte ich unwirsch und befreite mich von ihr. Ich brauchte keine Hilfestellung. Nicht bei meiner Kondition. Die war hervorragend. Das hatte ich erst kürzlich auf unserem Klassentreffen mit Genugtuung feststellen können. Sie hatten ein Beachvolleyball-Turnier organisiert. Alle, auch die Männer, hatten bereits hechelnd im Sand gelegen, während ich noch wie eine Eins stand und nicht aufgeben wollte. Man hatte mich gebührend bewundert. Und nun schmierte ich hier bei ein paar Stufen nach unten ab.
     
    Der Speiseraum war ein Traum aus Licht. Der obere Teil des Raumes war eine Halbkugel und bestand nur aus Fenstern. Hier versperrten keine Bäume die Sicht auf den See. Man hatte das Gefühl, mitten auf dem Wasser zu sein. Ein paar Segler nutzten den schönen Septembertag und verliehen dem Ausblick einen maritimen Touch.
    Die Tische standen locker verteilt vor den Fenstern. Sie waren alle belegt. Manche nur mit einem Gast, andere mit mehreren. Bis dahin stimmte das Erwartungsbild an den Speisesaal eines gediegenen Hotels.
    Aber

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