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Hab keine Angst, mein Maedchen

Hab keine Angst, mein Maedchen

Titel: Hab keine Angst, mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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medizinisch korrekt wie erkältete Blase.
    »Was immer auch passiert, Michelle, hör zu: Hab keine Angst und schau dich gut um!«, hörte ich im Geist die Stimme meiner Mutter. Warum hatte sie mir nur diese schwammigen Orakelsätze mit auf dem Weg gegeben? Warum hatte sie mir nichts Konkreteres gesagt? Dazu habe ich ihr keine Chance gelassen, gestand ich mir widerstrebend ein. Ich bin aus der Laube regelrecht geflohen, als sie mich vor dem Zauber warnen wollte.
    Ich schaute Magdalene entschlossen an. »Überzeugen Sie mich. Wie kann man aus Angst sterben?«
    Sie reckte ihr Kinn und sah mich prüfend an. Das ließ sie wieder einmal umwerfend attraktiv und blitzgescheit aussehen.
    »Verraten Sie mir: Wie kann man aus Angst sterben«, wiederholte ich. Meine Bitte war ehrlich gemeint. Das schien sie zu spüren. Sie nickte kaum merklich und begann zu erzählen.
    »Knut, so hieß mein Mann, hatte eine ausgeprägte Spinnenphobie. Nur Menschen, denen es ähnlich geht, können verstehen, was das bedeutet. Für den Betroffenen und für seine Angehörigen. In diesem Fall für mich.
    Unsere Fenster waren allesamt mit Fliegengittern verbarrikadiert. Das gab selbst einem strahlend blauen Sommerhimmel eine Nuance von grau. Was sehr schade und dazu unnötig war. Die flinken Tierchen suchten sich ganz andere Wege, um in das geschützte Haus zu gelangen. Aber Knut hätte sonst nicht friedlich schlafen können, deshalb ließ ich diese Schutzmaßnahme zu. Das wurde besonders im Urlaub zum Problem und bedeutete, falls keine Fliegengitter vorhanden waren, geschlossene Fenster. Egal, welche Temperaturen herrschten.
    Einmal hat Knut sogar eine Angst-Therapie über sich ergehen lassen. Ich glaube, mehr aus Liebe zu mir.«
    Magdalene lächelte liebevoll an mir vorbei.
    »Danach konnte Knut die Möglichkeit, dass im Nebenzimmer eine Spinne hocken könnte, ohne Herzrasen ertragen. Oder, dass draußen einige in ihren Netzen unter dem Dachgiebel lauerten. Ein Erfolg im Grunde. Nur dummerweise fielen Knut seitdem immer mehr Varianten für Spinnenverstecke ein. Er dachte sich Schauergeschichten über sie aus. Ja, er personifizierte die Spinnen regelrecht. Wenn er in den Gartenschuppen ging, war er überzeugt, sie lachten sich schon im Voraus über ihn in ihre acht Fäustchen und überlegten, wie sie ihm den Schweiß auf die Stirn treiben könnten.
    Wissen Sie, wenn es so etwas gibt, dann ist Knut in einem früheren Leben von einer Spinne erlegt worden. Vielleicht als Fliege oder Schmetterling. Er hat sich in ihrem klebrigen Netz verfangen. Dort musste er ohnmächtig zappeln und warten, bis die Herrin in ihre Vorratskammer zurückkam. Das war übrigens auch eines seiner Gruselmärchen.«
    »Sie sagten, Ihr Mann kannte Lilly. Warum konnte sie ihn nicht von dieser Phobie befreien? Er schien doch eine Menge von ihrer Magie zu halten.«
    Magdalenes Gesicht verdunkelte sich für einen Augenblick. Meine Zwischenfrage nach Lilly hatte sie aus dem Konzept gebracht.
    »Lilly«, wiederholte sie endlich leise. »Ja, Knut hat viel von ihren Künsten gehalten. Aber ich habe nie etwas mit Esoterik anfangen können, deshalb hat er mir nur wenig über seine Sitzungen erzählt. Ich weiß nur, dass Lilly ihn von einer üblen Migräne geheilt hat. Und sie gab ihm regelmäßig Lebenswegweiser, so nannte Knut das. Aber was seine Spinnenphobie anging, da konnte selbst sie nicht helfen. Es gäbe Dinge, die zu ändern nicht in ihrer Macht lägen. So soll ungefähr ihre Aussage gewesen sein.«
    Ich nickte und versuchte, die neu aufkommende Unruhe in mir zu beherrschen. Lillys Macht war begrenzt. Was bedeutete das für meine Situation? Ich schaltete den negativen Gedankenblitzen entschlossen das Licht ab und konzentrierte mich wieder auf Magdalene.
    »Knut hatte also weiterhin die Spinnenphobie«, resümierte ich.
    »Ja, und Norbert wusste davon.«
    »Wer ist Norbert?«
    »Unser Neffe, das heißt eigentlich Knuts. Er hat sich systematisch sein Vertrauen erschlichen. Ich habe ihm von Anfang an nicht getraut, aber Knut empfand mein Misstrauen als übertriebene Vorsicht, wenn nicht als Hysterie.
    Norbert ist in Kanada aufgewachsen und hat dort bis vor ein paar Jahren gelebt. Dann kam er nach Deutschland mit der Aussage: Es würde ihn zu seinen Wurzeln zurückziehen. An die Mär habe ich nie geglaubt. Er war ja schon Mitte 40 und hatte die Heimat seines toten Vaters nie kennengelernt.
    Aber Knut war sofort Feuer und Flamme für seinen Neffen und hat ihm spontan eine unserer

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