Hab keine Angst, mein Maedchen
Wohnungen geschenkt. Diese überschwängliche Geste resultierte sicherlich aus unserer Kinderlosigkeit und Knuts Sentimentalität. Er genoss das Gefühl, auf seine alten Tage noch einen Sohn bekommen zu haben.
Norbert tat das Seinige, um das zu unterstützen. Er kam regelmäßig zu Besuch. Zum Schluss fast jeden Tag. Er nahm Knut zur Begrüßung wie einen Vater in den Arm. Spielte stundenlang mit ihm Schach, trank mit ihm seinen Lieblingswein am Kamin, diskutierte mit Knut über Politik oder seine angeblichen Börsengeschäfte. Norbert hatte mein Misstrauen längst gespürt, da bin ich sicher. Deshalb hatte er sich mit ganzer Energie auf meinen Mann konzentriert. Mit Erfolg. Es war ihm gelungen, einen Keil zwischen Knut und mich zu treiben. Es entstand eine Kluft. Eine schmerzende Entfremdung. Und das nach fast 60 Jahren harmonischer Ehe.«
Magdalene hatte Mühe, weiterzusprechen. In ihren Augen standen Tränen. Aber sie weinte nicht.
»Knut hat mir sogar vorgeworfen, ich wäre auf das innige ›Vater-Sohn-Verhältnis‹ eifersüchtig. Ich sollte mich doch einfach mitfreuen und Norbert ein wenig Mutterliebe entgegenbringen. Das konnte ich nicht.
Leider wurde mein Misstrauen bestätigt. Glauben Sie mir, ich würde alles dafür geben, wenn ich mich geirrt hätte.
Wir haben einiges zu vererben. Vor 20 Jahren ist unsere Wiese am nördlichen Stadtrand zu Bauland geworden. Wir haben das Geld angelegt und besitzen gut gelegene Mietwohnungen. Knut hat das Testament zu Norberts Gunsten geändert. Wir hätten sonst ja keine Erben, so war Knuts Argumentation. Ich war nicht einverstanden, aber ich konnte mich nicht durchsetzen und gab schließlich nach.
Am 30. August hatte Knut Geburtstag. Vormittags hielt er sich dann in seinem Arbeitszimmer auf und nahm Glückwunschtelefonate entgegen. So hatte er das immer gemacht, auch als er noch aktiv im Beruf war. Der Geburtstagsnachmittag hatte ausschließlich mir gehört.«
Magdalene lächelte zärtlich.
»Knut war Architekt und hatte unsäglich viele Stunden an seinem Schreibtisch verbracht. Selbst an den Wochenenden. Das war für mich als junge Frau gar nicht so leicht. Damals war ich wirklich eifersüchtig. Auf seine Arbeit. Ich fühlte mich einsam, obwohl sich mein Mann im Haus befand. Zu dem Zeitpunkt hat Knut das geheime Fenster einbauen lassen. Nur für mich. Das war so romantisch von ihm. Ich konnte ihn sehen, wann immer ich wollte. Von der Büroseite aus meinte man, es wäre ein Spiegel. Eine wundervolle Idee und der größte Liebesbeweis. Knut ließ mich von meinem Zimmer aus in seine Arbeitswelt blicken. Ich konnte ihn sehen, wenn er über seinen Zeichnungen brütete oder Verhandlungen führte. Niemand wusste davon. Noch nicht einmal Norbert.
An seinem Geburtstag stand ich an dem Fenster und wartete. Das machte ich nur noch selten, aber ich wollte einen günstigen Augenblick abpassen, um ihm mein Geschenk auf den Schreibtisch zu legen. Eine gemeinsame Islandtour. Norbert hatte allerdings auch eine Überraschung, und er war schneller als ich. Er hatte ein Paket dabei. Knut freute sich so sehr, dieser alte Narr. Er strahlte beim Öffnen wie ein Kind. Das Strahlen ist ihm allerdings im Gesicht stehen geblieben, als er den Inhalt erblickte. In der Kiste befanden sich Spinnen. So richtig dicke schwarze, vor denen habe selbst ich mich geekelt. Sie haben sofort die Chance genutzt, um ihr Gefängnis zu verlassen. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele es waren. Eine ist Knut den nackten Arm hochgekrabbelt. Er konnte sich vor Entsetzen weder rühren noch um Hilfe schreien. Hätte ich doch gleich einen Krankenwagen oder die Polizei angerufen. Aber ich war ebenfalls wie erstarrt. Ich konnte nicht begreifen, was ich sah. Keine Ahnung, wie lange. Mir fehlte jedes Zeitgefühl. Dann bin ich losgelaufen. Völlig kopflos. Mein Zimmer und Knuts Arbeitszimmer befinden sich zwar Wand an Wand, aber da gibt es keine Tür. Man muss erst durch die halbe Wohnung laufen.
Als ich ankam, da war Knut schon tot. So schnell, ich konnte es nicht fassen. Norbert stand neben ihm und fühlte ihm den Puls. Die schwarzen Viecher waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten sich wahrscheinlich schon in irgendwelchen Ritzen versteckt. Ich bin auf Norbert losgegangen. Mit beiden Fäusten und habe getobt und geschrien und ihn als Mörder beschimpft und von den Spinnen erzählt.
Er hatte sich nicht gegen meine Angriffe gewehrt. Selbst als ich ihm einige blutende Kratzer im Gesicht beibrachte.
Da wurden die Türen
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