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Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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aber weder Daueraufträge noch Abbuchungen, der Mann hatte lange kein Bargeld mehr benötigt, musste also zu Hause ein Depot haben. Das hier konnte doch nicht alles sein! Bestimmt hatte er Bernadettes Vermögen idiotensicher als Festgeld angelegt. Oder er hatte ein paar Goldbarren im Safe oder ein weiteres Konto bei einer anderen Bank.
    Ich ärgerte mich über den hohen Benzinpreis, holte die Medikamente und ließ mir im Supermarkt viel Zeit, um die tiefgefrorenen Fertigprodukte auf ihre Eignung für die Mikrowelle zu prüfen – in der Hoffnung, dass er eine besaß. Nachher würde ich auf jeden Fall die Küche zu sehen bekommen, vielleicht noch weitere Zimmer. Ich beschloss, ihm heute Bandnudeln mit Hühnchen in Rahmsauce zu servieren, das war kein schweres Essen. Während die Wäsche im Trockner herumwirbelte, konnte ich es notfalls auch in der Pfanne erhitzen. Und danach wollte ich endlich im geschenkten Auto, das noch ganz gut in Schuss war, nach Hause fahren. Zugelassen war es vor drei Jahren auf Bernadette Kempner, vielleicht sollte man das noch ändern.
    Der Supermarkt war die reinste Kontaktbörse, ans schwarze Brett hatte man viele Zettel mit Angeboten und Wünschen geheftet, entlaufene Katzen wurden gesucht, ein Turnbeutel war gefunden worden. Mütter mit quengelnden Kleinkindern standen beisammen und besprachen, welcher Kindergarten der beste wäre. Hausfrauen tauschten Rezepte aus, Rentner ließen sich von der Bäckereiverkäuferin einen Kaffee machen, Berufstätige aus einem benachbarten Büro holten sich ein Sandwich. Von der nahen Schule kamen mehrere Mädchen mit einem noch längeren Einkaufszettel als meinem, sie mussten für den Kochunterricht einkaufen. Die Orchideen würden immer billiger, sagte eine Frau zu ihrer Freundin, nach zwei Jahren könne man sie getrost entsorgen und sich bei diesem sensationellen Preis ein paar neue Pflanzen kaufen. Zwei alte Männer standen neben ihren Rollatoren und unterhielten sich über den Pfusch eines Orthopäden. Mir, die ich immer in der Weststadt einkaufte, waren alle diese Leute noch nie begegnet, doch untereinander schienen sich die meisten zu kennen. Fast wie auf dem Dorf, dachte ich, auch Wolfram und sein VW werden hier in der Nordstadt bekannt sein.
    Am Autoschlüssel baumelte auch einer für die Biberstraße 19. Also setzte ich die vollen Einkaufstaschen vor der Haustür erst einmal ab und klingelte nicht, sondern schloss auf. Im Flur blieb ich stehen und lauschte. Bing Crosby sang mit einem Chor ein wehmütiges Spiritual:
    All the world is sad and dreary everywhere I roam,
    Oh darkies, how my heart grows weary
    Far from the old folks at home.
    Laut rief ich: »Bin wieder da!«, und stieß die Tür zum Wohnzimmer auf.
    Dort lag Wolfram auf dem Sofa, tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen, setzte sich auf und drehte den Ton des CD -Players ab. »Swanee River« , murmelte er. »Hast du alles erledigen können?«
    »Klar doch! Ich räume aber als Erstes die Lebensmittel in den Kühlschrank«, sagte ich, lief wieder in den Flur, öffnete aufs Geratewohl eine Tür und stand in einer ungewohnt geräumigen Küche. Der Herd war das einzig moderne Stück, fast neu mit blitzblanken Ceran-Kochfeldern. Schön waren die alten Fliesen, ziemlich gewöhnungsbedürftig die gelbliche Resopal-Einbauwand, rührend die vielen uralten Töpfe, Kannen und Schüsseln aus blauem Email, die wie in einer Puppenküche zur Dekoration aufgereiht waren. Mitten auf einem wackligen Gartentisch stand eine Mikrowelle, bisher hatte Wolfram wohl weder Lust noch Kraft gehabt, einen passenderen Platz dafür zu finden. Der alte Kühlschrank war ein nimmersatter Stromfresser, so überdimensional wie in einem amerikanischen Fernsehfilm. Alle meine eisigen Packungen passten locker ins Gefrierfach. Schließlich schritt ich Länge und Breite der gesamten Küche ab, notierte mir 30   Quadratmeter und schaute kurz zum Fenster in den verwilderten Garten hinaus. Der überall wuchernde Efeu erinnerte an einen Friedhof.
    »Magst du etwas Warmes essen?«, fragte ich hektisch, während ich wieder ins Wohnzimmer wieselte. »Das würde jetzt gut passen, denn während die Mikrowelle läuft, kann ich zwischendurch nach der Wäsche schauen.«
    Wolfram nickte dankbar. Um es nicht zu vergessen, blätterte ich Geldscheine und Quittungen auf den Couchtisch, legte die Medikamente daneben und eilte wieder in die Küche, um das Fertiggericht aufzuwärmen. Die Wäsche war bereits durch, ich stopfte alles in den

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