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Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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unmoralisch!«
    »Der reinste Mephisto, unser Wolf«, spottete Judith.
    Wenn es um Literatur geht, lasse ich mich nicht lumpen. »Eine Milliarde für Güllen, wenn jemand Alfred Ill tötet«, zitierte ich aus Dürrenmatts Besuch der alten Dame .
    Judith erwiderte nichts, sie hat nicht alles gelesen, was sich für eine Bibliothekarin gehört. Eigentlich stürzt sie sich immer nur auf die neu erschienenen Krimis.
    »Es hilft nichts, Karla, du musst dich noch mal in die Höhle des Wolfs begeben! Und sei diesmal nicht so zimperlich, wirf nicht gleich die Flinte ins Korn, sondern ballere los! Du musst rauskriegen, was der Schuppen wert ist, ob der Typ noch sonstigen Besitz hat, wann genau er abtreten will und so weiter!«
    »Als ob das so einfach wäre! Du bist noch jung und abenteuerlustig, mit Besuchen bei alleinstehenden Männern tu ich mich besonders schwer!«
    »Komm schon, Karla, ich bin auch keine zwanzig mehr! Aber wenn du möchtest, begleite ich dich. Nur: Dir vertraut der böse Wolf, an mich traut er sich nicht ran.«
    Wolfram war eher ein scheues Reh als ein Wolf, dachte ich, doch in der Dracula-Verkleidung durchaus furchteinflößend. »Dr.   Jekyll und Mr.   Hyde!«, murmelte ich, und Judith verstand endlich nicht bloß Bahnhof.
    Als sich Judith relativ spät verabschiedete, hatte sie mehr als ein Glas getrunken und stieg trotzdem in ihren Wagen. Auch ich war ein wenig angesäuselt, umarmte sie zum Abschied und flüsterte ihr zu, sie sei meine liebe Komplizin und werde am Gewinn beteiligt. Erst nachdem ich Gläser und Geschirr in die Spülmaschine geräumt hatte, mir einen warmen Morgenrock übergezogen und im Fernsehsessel Platz genommen hatte, kam ich zum Nachdenken. Wir hatten wie Teenager gekichert. Ich war selbst überrascht, dass ich dazu noch fähig war. In meiner Schulzeit wurde ich mehr als einmal während des Unterrichts vor die Tür gesetzt, weil ich und meine Banknachbarin von einem nicht enden wollenden Lachanfall geschüttelt wurden. Die Lehrerin meinte, erst wenn wir uns beruhigt hätten, sollten wir wieder hereinkommen. Merkwürdigerweise wussten wir selbst nicht recht, was der Grund unseres albernen Gickelns war. Dafür schämten wir uns ein wenig. So ähnlich erging es mir nach jenem Abend, denn es war schließlich alles andere als lustig, einen Mitmenschen ins Jenseits zu befördern.
    Mein Kollege war ungefähr vier Jahre älter als ich. Wer sollte eigentlich mich einmal beerben? Auch mein älterer Bruder würde nicht mehr ewig leben. Seine kanadischen Kinder und Enkel würden am Ende Wolframs Haus besitzen und es unter Wert verkaufen lassen, weil sie keine Ahnung von den hiesigen Preisen hatten. War es nicht sinnvoll, wenn auch ich ein Testament verfasste und vor allem Judith begünstigte? Meine drei Schulfreundinnen waren keine armen Leute, ihnen wollte ich nur ein paar persönliche Erinnerungsstücke überlassen. Als ich in rührseliger Stimmung überlegte, wer die Wiener Rahmenuhr meiner Großeltern und wer die in Jahrzehnten gesammelten Inselbändchen bekommen sollte, kamen mir die Tränen, und ich nickte schließlich ermattet ein.
    Ich träumte eine Rotkäppchenversion: Im finsteren Tann lauerte der Wolf, die kleine Karla war jedoch nicht allein, sondern in Begleitung ihrer mutigen Freundin Judith, die dem Untier ein paar Happen rohes Lammfleisch vorwarf und es damit vorübergehend besänftigte. Sie habe Rattengift ins Fleisch gewickelt, flüsterte sie mir zu, wir könnten am nächsten Tag unbesorgt die Höhle des Wolfs aufsuchen und erkunden, wie viele Mädchenleichen dort zu finden seien.

4
    Schmutzige Wäsche
    Um 9   Uhr am nächsten Tag weckte mich Telefongeklingel. Verschlafen ging ich an den Apparat.
    »Guten Morgen, ich weiß, dass du eine Frühaufsteherin bist«, sagte Wolfram. »Deswegen würde ich dich herzlich bitten, für mich ein paar Besorgungen zu machen; du kannst meinen Wagen anschließend behalten. Im Übrigen habe ich die drei Entwürfe bereits ausgedruckt.«
    »Ich komme nachher mal vorbei«, sagte ich unbestimmt. »Du kannst ja inzwischen einen Einkaufszettel schreiben. So gegen Mittag könnte ich bei dir sein, aber ich muss mich nach dem Bus richten.«
    »Das hast du in Zukunft nicht mehr nötig«, sagte er. »Ich danke dir.«
    Bevor ich ins Bad ging, machte ich mir erst einmal einen Kaffee. Ich war schon etliche Jahre nicht mehr gefahren. Schwimmen und Radfahren verlernt man nie, heißt es, aber wie würde es mit einem fremden Wagen klappen?
    Zwei Stunden

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