Hab und Gier (German Edition)
später klopfte mir wieder das Herz, während ich vor Wolframs Tür wartete. Als er schließlich vor mir stand, dachte ich bloß: Mein Gott, wie schlecht sieht er aus, der macht es bestimmt nicht mehr lange! Doch seine Aufgaben hatte Wolfram brav erledigt, er zog eine lange Liste hervor.
»Am besten besorgst du alles in der Nordstadt, dort kriegt man immer einen Parkplatz beim Supermarkt«, begann er. »Wenn ich darum bitte, schickt mir die Apotheke zwar meine Medikamente ins Haus, aber du kommst sowieso dran vorbei. Das letzte Mal habe ich eingekauft, als du zum Frühstück hier warst, deswegen brauche ich eine ganze Menge – steht alles auf diesem Papier, außerdem wäre die Reinigung dringend fällig. Und eh’ ich’s vergesse, ich habe fast kein Bargeld mehr. Ich gebe dir einen Scheck mit, die Sparkassenfiliale findest du gleich hinter Edeka.«
»Hast du immer noch einen Golf?«, fragte ich. »Wo liegt die Wäsche?«
Er schickte mich ins Bad im ersten Stock, wo ich den schmutzigen Stapel in der Duschwanne begutachtete und beschloss, das meiste in die Maschine zu stopfen. Er wolle mir das nicht zumuten, wehrte Wolfram etwas verlegen ab. Aber ich lächelte nur mitleidig, trennte Unterwäsche, Schlafanzüge und Handtücher von den Wollsachen und suchte die Kellertür. Gleich im ersten Raum würde die Waschmaschine stehen und auch ein Trockner.
Die Treppe nach unten war sehr steil, es war einzusehen, dass er Respekt davor hatte. Ich war dagegen noch gut zu Fuß und hatte endlich die Gelegenheit, mich ein wenig umzuschauen, wenn auch nur im Kellergeschoss. Die Waschmaschine war nicht schwer zu bedienen; ich stellte sie auf neunzig Grad. Jetzt bin ich im Reich des Wolfs, fast wie im gestrigen Traum, dachte ich und öffnete ängstlich die Tür zur nächsten Höhle, wo womöglich ein paar menschliche Knochen versteckt waren. Es war jedoch bloß ein großer Hobbyraum mit einer Werkbank, zahlreichen Regalen, Bohrmaschinen und sorgfältig aufgehängten Kabeln. Mehrere Abstellkammern mit Gerümpel schlossen sich an. Eine war gefüllt mit allerlei Elektroschrott, ausrangierten Küchengeräten, Radios, Computern und einem uralten Fernseher. In einem anderen Kabuff sammelten sich Einmachgläser, ein paar noch gefüllt mit undefinierbarer Pampe. Einige leere und viele ungeöffnete Weinflaschen lagerten in einer Stellage. Die enge Garage mit dem schief eingeparkten Golf konnte von hier aus betreten werden.
»Ich war lange nicht mehr in der Unterwelt«, sagte Wolfram, als ich wieder oben ankam. »Dort muss es erst recht staubig sein. Unsere langjährige Hilfe ist derzeit in Portugal, wo sie einen älteren, verwitweten Landsmann heiratet. Sie wird nächste Woche wiederkommen – hat sie jedenfalls versprochen!«
Na hoffentlich, dachte ich, seine Putzfrau will ich für alles Geld der Welt nicht werden. Ich ließ mir die Einkaufsliste, den Fahrzeugschein, die Wagenschlüssel, ein Rezept für Morphiumpflaster und dreierlei Medikamente, die EC -Karte und einen ausgefüllten und unterschriebenen Scheck für die Bank aushändigen, lud mir den Sack für die Reinigung auf den Buckel und stapfte zum zweiten Mal die steile Kellertreppe hinunter, um den Golf hinauszumanövrieren. Die Villa stammte aus einer Zeit, wo die Leute höchstens eine Kutsche besaßen, erst viele Jahre später hatte man eine bescheidene Garage angebaut und ihr Dach kurzerhand als Balkon verwendet. Ich öffnete die hohen, grüngestrichenen Flügeltüren, setzte mich probeweise ans Steuer, stieg wieder aus und klappte die Seitenspiegel ein. Ganz langsam und mit Schweiß auf der Stirn fuhr ich den Wagen aus seinem schmalen Gefängnis und bemerkte dann erst, dass der Tank fast leer war.
Also erst Geld abheben, danach tanken, dann die Apotheke und am Schluss der Supermarkt. Bis ich das alles erledigt hatte, war die Wäsche vielleicht schon durchgelaufen, und ich konnte sie in den Trockner stecken. Ich kam mir vor wie eine brave Hausfrau, die ihrem gutbetuchten Mann den Rücken freihält. Noch nie im Leben hatte ich mich um solche Aufträge gerissen, aber was tut man nicht alles für Geld! Meine Frührente reichte nun mal nicht für große Sprünge.
Was das Geld anging, so konnte ich es nicht lassen, Wolframs Kontoauszüge auszudrucken; er hatte beinahe zehntausend Euro auf dem Girokonto, davon sollte ich dreitausend abheben. Erst als ich wieder im geparkten Wagen saß, blätterte ich die Auszüge durch. Seine Pensionsbezüge waren weit höher als meine; ich fand
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