Hab und Gier (German Edition)
der Hosentasche und überreichte ihn Cord. »Für Ihre Bemühungen. Wir werden an Sie denken, wenn wieder mal ein starker Mann gebraucht wird.« Er reichte ihm die Hand zum Abschied, doch Cord blieb weiterhin sitzen, bis Judith ihm einen Knuff gab und ihn an die Haustür begleitete.
Schließlich lag ich auf meiner neuen Matratze, die mir hart vorkam ohne die gewohnte, gemütliche Kuhle. Wie man sich bettet, so liegt man, dachte ich noch. Dann schlief ich ein.
10
Der Fleischwolf
Am Sonntag schien die Morgensonne auf mein Bett und weckte mich. Ich hatte wider Erwarten gut geschlafen. Eine Weile stand ich am geöffneten Fenster, schaute wie verzaubert in den verwilderten Garten hinaus, beobachtete zwei flinke Eichhörnchen in den Tannen und roch frischen Minzeduft. Obwohl es noch früh war, machte sich die Nachbarin offenbar schon im Garten zu schaffen. Dunkel erinnerte ich mich, dass man Kräuter nicht in der Mittagssonne ernten soll. Schnell zog ich mich wieder zurück. Ich wollte nicht im Nachthemd entdeckt werden, damit nicht Gerüchte durch die Biberstraße schwirrten. In Gedanken hörte ich sie schon tuscheln: Ja, so sind sie, die Männer! Kaum ist Bernadette unter der Erde, da hat er sich schon eine Neue angelacht .
Beim Frühstück – ohne Judith – fragte Wolfram, ob sich unsere Kleine womöglich gestern übernommen und am Ende wieder Schmerzen habe.
Ich versprach, nach ihr zu sehen. Aber noch bevor ich an die Tür der Dachwohnung klopfte, hörte ich schon Judith und eine männliche Stimme. Cord, der sich gestern Abend doch eigentlich verabschiedet hatte, schien mit ihr zu streiten. Hatte sich dieser suspekte Typ heimlich wieder eingeschlichen? Hatte Judith ihm am Ende einen Hausschlüssel zugesteckt? Angestrengt lauschte ich, hörte wieder den Namen Natalie und Judiths lautstarken Protest: Er könne sich seine hirnverbrannten Ideen sparen, hier in diesem Haus habe er kein Mitspracherecht. Nach einer liebevollen Beziehung hörte sich ihr scharfer Ton nicht gerade an. Nachdenklich ging ich wieder in die Küche zurück und behauptete, Judith schlafe noch.
»Tut ihr sicherlich gut, die arme Kleine schuftet ja von früh bis spät!«
Ich schwieg etwas verstimmt. Von wegen »die Kleine« . Judith war ziemlich robust und hatte sich gestern – ganz im Gegensatz zu mir – kein Bein ausgerissen. Verdrossen räumte ich den Tisch ab und stellte den unbenützten Teller in den Schrank. Wolfram wollte sich noch einmal hinlegen, ich dagegen fuhr nach Hause, um eine Nachttischlampe, meinen Bademantel, den Radiowecker und andere nützliche Dinge zu holen.
Als ich zwei Stunden später wieder in der Biberstraße eintraf, stand Judith in der Küche, trank kalten Kaffee im Stehen und wühlte in Schubladen und Fächern herum.
»Was soll das denn sein?«, fragte sie und hielt mir einen eisernen Gegenstand unter die Nase.
»Ein Fleischwolf«, sagte ich nur.
Sie sah mich mit ungläubigem Staunen an, und mir wurde schmerzlich bewusst, wie viel älter ich doch war als sie.
»Als man noch keine Küchenmaschinen und Mixer hatte, gab es in jedem Haushalt einen Wolf«, erklärte ich. »Meine Mutter hat oft Hackfleisch damit gemacht. Kennst du nicht den Ausdruck: wie durch den Wolf gedreht ?«
Sie lachte. Irgendwie schon, aber eher sage man doch durch die Mangel gedreht . So ein klobiges Ding habe sie noch nie gesehen. »Sollen wir den Wolf durch den Wolf drehen?«, kalauerte sie.
Ich fand ihren Scherz geschmacklos. »War Cord über Nacht hier?«, fragte ich wie eine strenge Gouvernante. Sie antwortete nicht, machte sich vielmehr mit dem Fleischwolf an der Kante des Küchentischs zu schaffen. Judith war nicht ungeschickt, in Windeseile hatte sie ihn festgeschraubt und stopfte wahllos Toastbrot, eine Scheibe Schinken sowie ein gekochtes Ei in den Trichter. Neugierig wie ein Kind begann sie, die Handkurbel zu drehen. Bevor sie allzu viel Schweinerei anrichtete, stellte ich einen Suppenteller unter die Lochscheibe und verließ ärgerlich die Küche. Aus irgendeinem Grund funktionierte unsere ménage à trois nicht so harmonisch, wie ich mir das vorgestellt hatte. Mit Judith war ich zwar immer gut ausgekommen, aber in der Kombination mit Wolfram lief es weniger glatt. Wahrscheinlich musste sich das Zusammenleben erst einspielen. Morgen war Montag, und Judith musste erst einmal die ganze Woche über viel Zeit in der Bücherei verbringen. Dann wäre ich endlich wieder mit Wolfram allein.
Um mich abzulenken, ging ich in den
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