HABE MUTTER, BRAUCHE VATER - Mallery, S: HABE MUTTER, BRAUCHE VATER
vergessen.“
„Sind Sie deshalb ausgetreten?“, fragte sie. „Zu viele schlimme Erlebnisse?“
„Vielleicht.“
„Wir müssen nicht darüber reden“, sagte sie, da sie das Gefühl hatte, weitere Fragen würden nur neugierig wirken.
„Schon in Ordnung. Ich habe viel Zeit damit verbracht, nach Scharfschützen Ausschau zu halten und Bomben zu orten. Jetzt suchen sie mich manchmal heim.“
Auch Elissa hatte ihre Albträume. Doch sie waren nicht annähernd so brutal.
„Ich hoffe, ich habe Zoe nicht geweckt“, sagte er.
„Nein, keine Sorge. Ich habe nach ihr gesehen, bevor ich zu Ihnen hinaufgegangen bin. Sie würde nicht mal wach, wenn ein Tornado durchs Haus fegte. Als sie noch ein Baby war, habe ich oft Staub gesaugt, während sie geschlafen hat. Irgendwo hatte ich gelesen, dass es beruhigend auf Kinder wirkt, die tief schlafen. In ihrem Fall hat es jedenfalls funktioniert.“
Dies hier ist die merkwürdigste Unterhaltung der ganzen bisherigen Woche, dachte sie. Nie im Leben wäre sie auf die Idee gekommen, dass ein halb nackter, barfüßiger Walker um Viertel vor fünf Uhr morgens in ihrer Küche stehen, Kaffee trinken und sich mit ihr über ihre Tochter und seine Zeit bei den Marines unterhalten würde.
„Sie ist ein liebes Kind“, sagte er.
„Ja, das ist sie.“ Elissa zögerte. „Ist es eigenartig für Sie, wieder als Zivilist hier zu leben, mit einem Kind in der Nachbarschaft und allem?“
„Kinder gibt es überall. Aber Zoe kann hier wenigstens in Sicherheit aufwachsen. Das ist nicht überall so.“
Er klang so traurig, dass sie sich fragte, was er alles gesehen und erlebt hatte. Dann wurde ihr bewusst, dass sie es vielleicht gar nicht wirklich wissen wollte.
Sie bemerkte, dass seine Körperhaltung trotz der frühen Stunde perfekt war. Sogleich versuchte sie, ihre Schultern ein wenig zu straffen und aufrechter zu stehen.
„Tolles Huhn“, sagte er.
Es dauerte einen Moment, bis sie kapierte, dass er ihre Dienstkleidung meinte. Sie sah an sich hinunter und musste über die große Henne auf ihrer Schürze lachen. „Ich arbeite im ‚Eggs ’n’ Stuff‘, einem Fast-Food-Restaurant, wo man frühstücken und Mittag essen kann.“
„Ich kenne es.“
„Dann haben Sie also die Uniform erkannt. Frank, mein Chef, ist ein wunderbarer Mensch, aber wir haben es noch nicht geschafft, ihm das Hühner-Logo auszureden. Anscheinend gibt es das schon seit den Fünfzigerjahren. Aber wenigstens sind die Schuhe bequem.“ Sie streckte ihm einen Fuß entgegen, der in orthopädischen weißen Schnürstiefeletten steckte. „Ich warte nur darauf, dass diese Ungetüme in Mode kommen.“
„Seien Sie froh, Sie sind schließlich den ganzen Tag auf den Beinen.“
„Stimmt. Trotzdem könnte es nicht schaden, wenn sie eine Spur schicker wären. Allerdings nehme ich die Schuhe und das Huhn gern in Kauf. Ich bekomme jede Menge Trinkgeld, die Sozialleistungen sind wirklich gut, und wenn Zoe in die Schule kommt, kann ich vor ihr zu Hause sein.“
„Wer macht die Kleine morgens fertig für den Kindergarten?“
„Mrs. Ford.“
„Ich dachte, Ihr Exmann würde sich vielleicht um sie kümmern.“
Ganze zwei Sekunden lang überlegte sie, ob er gerade versuchte, herauszubekommen, ob sie liiert war oder nicht. Dann erinnerte sie sich an ihren peinlichen Redeschwall vor ein paar Tagen, als sie ihm ins Gesicht gesagt hatte, dass sie kein Interesse an Bekanntschaften und Sex hätte. Dabei hatte der Ärmste gar nicht danach gefragt.
„Es gibt keinen Ex“, sagte sie leichthin.
„Wenn ich also einen Fremden sehe, der hinter einem Busch lauert, kann ich ihn mir schnappen und verhauen.“
„Ganz genau.“
Sie nahm einen letzten Schluck Kaffee und schaute auf die Uhr.
„Sie müssen los“, sagte Walker und stellte seine Tasse auf die Theke. „Tut mir leid, dass ich Sie aufgehalten habe. In Zukunft versuche ich, leiser zu sein, wenn ich schlecht träume. Danke für den Kaffee.“ Er nahm den Baseballschläger in die Hand. „Und dafür, dass Sie mich beschützen wollten.“
Sie seufzte. „Ich hasse es, wenn ich mich schon morgens zum Idioten mache.“
„So sollten Sie nicht denken. Ich finde, das war wirklich nett von Ihnen.“
Er stellte den Schläger wieder in die Ecke und ging.
Elissa spülte beide Tassen ab, sah ein letztes Mal nach Zoe, öffnete die Tür zur Wohnung von Mrs. Ford und ging zu ihrem Wagen.
Es war August, und die Sonne war bereits aufgegangen, was alle Vögel in der Nachbarschaft
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