Habgier: Roman (German Edition)
nacheinander wortlos in die Arme. Das Trio schritt durch die Dunkelheit zu einer Hintertür und trat ins Haus.
Die Polizisten folgten ihnen, und Oliver schloss als Letzter die Tür hinter sich. Sie kamen erst durch eine aufgeheizte Küche, in der es nach Hefe und Zucker roch, dann führten ein paar Stufen hinunter, bis sie schließlich in einem niedrigen Wohnraum standen, der mit Schnickschnack und jeder Menge Kleinkram vollgestopft war. Kreuze, Kerzen, Getöpfertes, Körbe und typische folkloristische Gegenstände schmückten die Regale und lagen auf allen Tischen. Die Möbel waren rustikal und schwer und passten gut zu den dicken Deckenbalken und den breiten Holzdielen, die durch unzählige Schritte abgerundet waren. Obwohl es im Haus nicht kalt war, brannte in dem bienenstockförmigen Kamin ein gemütliches Feuer.
Die beiden alten Damen hatten ihre Schals abgelegt und waren darunter ganz ähnlich gekleidet: locker sitzende Blusen, die in langen, fließenden Röcken steckten. An den Füßen trugen sie Sandalen. Cathie Alvarez stellte alle einander vor. Lucy Ruiz, Cathies Mutter, hatte ihre graumelierten Locken zu einem Dutt hochgesteckt. Sandra Devargas – Tia Sandy, also Beths Mutter – trug ihr graues Haar in einem Zopf, der über die Hälfte ihres Rückens reichte.
Bis zu diesem Moment hatte Cathie in den Gesprächen mit Decker immer lebhaft und besorgt geklungen, doch jetzt, als sie mit ihrer Tante und ihrer Mutter redete, blieb ihre Stimme fast ausdruckslos. Die beiden Frauen nickten und beehrten die Polizisten mit zaghaftem Lächeln. Dann bat Lucy alle Anwesenden, sich an den runden Esstisch zu setzen, der mit buntem Steingutgeschirr gedeckt war. Sobald die Polizisten Platz genommen hatten, trugen die alten Frauen das Essen auf.
Zuerst brachten sie warme Maistortillas, in Handtücher gewickelt, dazu rote Salsa, grüne Salsa, Tomatenschnitze, Chili, eingelegte Oliven, gebratenes Gemüse und gegrilltes Huhn. Als das Essen auf dem Tisch stand, kam Lucy mit einer Kanne heißem, gewürztem Tee zurück, den sie in Tierbecher goss.
Cathie nahm sich eine Tortilla und füllte sie mit den angebotenen Speisen. »Wow, Mama, woher wussten Tia Sandy und du nur, was ich für einen Hunger habe!«
Die beiden Damen lächelten milde. Sandy nahm die Platte mit den Tortillas hoch und bot sie den Polizisten an. »Bitte, bedienen Sie sich.«
»Nur zu, hier muss niemand Hunger leiden.«
Marge und Oliver nahmen sich je eine dampfende Tortilla. »Das sieht alles wahnsinnig lecker aus!«
Decker erklärte, er sei Vegetarier, und fragte, ob in einer der Speisen oder Saucen Schmalz enthalten sei.
»Nur pflanzliche Öle«, antwortete Lucy, »Tortillas aus Mais werden ohne Fett hergestellt. Das ist nur in denen aus Mehl, und selbst da verwende ich mittlerweile lediglich Pflanzenöle.«
»Es schmeckt aber nicht ganz so wie mit Schmalz«, bemerkte Sandy.
»Stimmt, Schmalz schmeckt besser, aber es ist schlecht für die Arterien«, sagte Lucy.
»Ich mache Teig immer noch mit Schmalz«, sagte Sandy.
Lucy nickte ihr zu. »Ja, man kann ohne Schmalz keinen guten Teig herstellen. Aber man muss wählen zwischen dem, was gut fürs Herz ist, und dem, was gut schmeckt.«
»Es geht nicht nur um den Geschmack. Damit der Teig schön blättrig wird, braucht man Schmalz.«
»Wie wahr«, stimmte Lucy ihr zu, »wie wahr.« Sie nahm sich eine Tortilla und füllte sie mit Fleisch. »Und doch habe ich einen anständigen Teig ohne Schmalz ausgetüftelt.«
»Ja, dein Teig ist gut«, sagte Sandy. »Du machst wirklich gute Kuchen.«
»Keiner von meinen ist so gut wie dein Kürbiskuchen.«
Sandy errötete. »Oh nein, das stimmt nicht.«
»Sie macht den besten Kürbiskuchen«, sagte Lucy, »aber eben nur mit frischem Kürbis. Jetzt ist leider nicht die Saison dafür.«
Marge lächelte und meinte: »Dann müssen wir eben im Herbst wiederkommen.«
»Oh ja«, sagte Sandy, »bitte tun Sie das.«
Decker hatte bereits eine Tortilla aufgegessen und machte sich an die zweite. Er war ausgehungert, und das Essen war so lecker, wie nur zu Hause zubereitetes Essen es sein konnte. Wie schade, dass Rina nicht hier war. Sie hätte die beiden Damen bezirzt mit ihrem Talent, über jedes Thema leicht und interessiert reden zu können. Außerdem drehte sich bei dem Lieblingsthema seiner Frau sowieso alles um Küche und Kochen. Rina hatte ein Faible für alte Leute, die sich mit ethnischen Speisen auskannten.
Die Frauen standen auf und gingen in die Küche. Auf
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