Habgier: Roman (German Edition)
Ihrer Tante sprechen.«
»Also gut...«
»Sie klingen zögerlich. Machen Sie sich Sorgen? Ist Ihre Tante krank oder gebrechlich?«
»Nein, sie ist eine starke Frau...« Cathie seufzte. »Es ist eher ein kulturelles Ding, Lieutenant. Es gibt sowieso keine gute Art, meiner Tante diese Nachricht mitzuteilen, aber ich glaube, sie würde eher mit Ihnen zusammenarbeiten, wenn Sie sie persönlich aufsuchen.«
»Danke, dass Sie es mir sagen. Ich wollte auf jeden Fall nach Santa Fe fahren, dachte aber, es wäre weniger schockierend, wenn ich sie zuerst anrufe.«
»Verstehe. Ich meine nur, vielleicht...« Sie räusperte sich. »Ich besuche meine Eltern sehr oft, wissen Sie. Es ist keine komplizierte Reise. Southwest fliegt direkt nach Albuquerque, und von da aus braucht man bis Santa Fe ungefähr eine Stunde mit dem Auto.«
»Wir bezahlen Ihr Ticket und die sonstigen Auslagen...«
»Ich wollte keinen Freiflug rausschinden.«
»Sie helfen uns bei offiziellen Ermittlungen, es steht Ihnen zu. Bleiben Sie noch so lange dran, bis ich die Webseite von Southwest hochgeladen habe?« Decker gab die Daten ein. »Jetzt ist es halb elf. Es gibt einen Flug um 16:40 nonstop von LAX nach Albuquerque. Könnten Sie den schaffen?«
»Wollen Sie etwa heute noch los?«
»Ja, Ma’am, je eher, desto besser.«
»Ach du meine...« Wieder war ihre Stimme belegt. »Ich muss meinen Mann anrufen und ihm Bescheid sagen. Den Flug sollte ich erreichen, kein Problem.«
»Vielen, vielen Dank. Gibt es irgendwelche Kosten, die wir für Sie auslegen können? Kinderbetreuung vielleicht?«
»Das soll wohl heißen, dass ich mich jung anhöre. Danke für das Kompliment, aber meine Kinder sind schon aus dem Haus.«
»Sie klingen jung.«
»Ich bin neunundvierzig.«
»Für mich klingen Sie nicht nur jung, Sie sind es. Zwei Polizisten, die auch an dem Fall arbeiten, werden mich begleiten – Sergeant Dunn, die mit am Telefon war, und Detective Oliver. Schaffen Sie es, gegen drei Uhr nachmittags draußen am Terminal 1 zu sein? Die Schlangen am Southwest-Schalter sind immer endlos lang.«
»Ich werde da sein.«
»Sie sollten uns recht einfach erkennen«, sagte Decker, »halten Sie nach drei Leuten Ausschau, die Polizisten ähnlich sehen.«
»Puh, das kommt alles ganz schön plötzlich.«
»Ich kann mir vorstellen, wie Sie sich jetzt fühlen. Wir sind Ihnen unendlich dankbar, dass Sie angerufen haben. Noch eine Frage, bevor ich Sie entlasse: Lebt die Familie von Ramon Hernandez auch in Santa Fe?«
»Ja, sie kommt aus der Gegend. Mannys Mutter starb vor zehn Jahren. Er hat einen Bruder, aber was aus dem geworden ist, weiß ich nicht. Sein Vater, wenn er noch lebt, sitzt wohl im Gefängnis. Er hat bei einem Überfall auf einen kleinen Lebensmittelladen zwei Leute ermordet. Soviel ich gehört habe, hat er fünfzig Jahre oder so gekriegt. Zuerst war meine Tante davon überzeugt, dass Manny irgendwas mit Beths Verschwinden zu tun hat. Aber der Privatdetektiv, den sie engagiert haben, konnte weder Beth noch Manny ausfindig machen.«
»Sie meinen, Manny wird also auch immer noch vermisst.«
»Soweit ich weiß. Ich weiß längst nicht alles.«
»Das heißt?«
»Manny hatte einen schlechten Ruf. Beth störte das nicht – sie war verliebt -, aber meine Tante und meinen Onkel schon. Viele Jahre später habe ich herausgefunden, dass meine Tante vermutete, Beth sei zum Zeitpunkt der Hochzeit bereits schwanger gewesen. So wie ich Manny kenne, kann ich mir nicht vorstellen, dass er ein Baby wollte. Als ich älter war, hatte ich die Theorie, sie seien nach Kalifornien gezogen, damit Beth das Kind abtreiben kann, ohne dass die Familien etwas mitbekommen. Ich habe keinerlei Beweise, aber ich bin davon überzeugt.«
»Verstehe.«
»Früher ging ich immer mit der ganzen Familie in die Kirche. Ich erinnere mich gut daran, dass Tante Sandy am Ende des Gottesdienstes jedes Mal zwei Kerzen anzündete. Als Kind dachte ich dann, eine Kerze sei für Beth und eine für Manny. Sie sind ja zusammen verschwunden. Jetzt, als Erwachsene, erkenne ich, dass sich die beiden Familien nicht ausstehen konnten, selbst dann nicht, als Mannys Mutter noch am Leben war. Die zweite Kerze war sicher nicht für Manny gedacht – sondern für ihr verlorenes Enkelkind.«
»Eine Tragödie«, sagte Decker.
»Ja«, flüsterte Cathie, »tragisch und so furchtbar, furchtbar traurig.«
30
Als das Flugzeug den Landeanflug auf Albuquerque begann, wurde der Rumpf hin und her geschüttelt, so
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