Habgier: Roman (German Edition)
hat!«
»Das könnte sehr gut möglich sein«, sagte Decker vorsichtig, »und deshalb sollten wir so viele Einzelheiten wie möglich darüber von Ihnen erfahren.«
Sandra Devargas mischte sich ein. »Ich kann Ihnen alles erzählen.«
»Wann?«, fragte Decker. »Meinen Sie etwa noch jetzt?« Die alte Frau schlug sich mit der Hand auf die Stirn. »Wie rücksichtslos von mir! Sie sind sicher furchtbar müde!«
»Nein, es geht mir gut, aber ich weiß, dass ich mich morgen früh besser konzentrieren könnte. Würde es Ihnen gegen acht oder neun Uhr passen?«
»Ja, sicher, und ich bereite Frühstück für Sie vor.«
»Haben Sie vielen Dank, Mrs. Devargas, wir werden bestimmt großen Hunger haben.«
Cathie nickte zustimmend, denn es wäre sehr unhöflich gewesen, die Einladung abzulehnen.
»Kommen Sie so früh Sie möchten«, ermunterte Devargas sie, »denn wir werden in dieser Höllennacht kein Auge zutun.«
»Nein, heute Nacht schlafen wir nicht«, pflichtete Sandy ihm bei, »aber um ehrlich zu sein, habe ich seit zweiunddreißig Jahren nicht mehr richtig geschlafen.«
31
Das Morgengrauen brachte einen kristallklaren Himmel vor tiefvioletten Bergen mit sich, und die Szenerie war so gestochen scharf und durchtränkt mit leuchtenden Farben, dass sie fast künstlich wirkte. Decker machte einen frühen Morgenspaziergang auf der Plaza, einem begrünten Platz mitten in der Stadt, der von einander ähnelnden Boutiquen umrandet war, die sich auf regionales Kunstgewerbe und folkloristische Kleidung spezialisiert hatten. Er sah zu, wie die Indianer ihre Waren unter den Säulengängen des alten Gerichtsgebäudes aufbauten und die handgefertigten silbernen Schmuckstücke, Töpfereien und Kunstwerke aus Sand auf alten, abgenutzten Decken ausbreiteten. Als er zum Hotel zurückkam, warteten Marge und Oliver bereits in der Lobby. Peter Devargas hatte vor rund zwanzig Minuten angerufen. Er sei bereit, wann immer sie bereit wären.
Die Stimmung beim Frühstück mit den trauernden Eltern war gedrückt, doch das hinderte niemanden daran, mit Appetit zu essen. Es gab Rühreier, Forellentartar mit Salsa, Bohnen, Reis und die allgegenwärtigen, dampfend heiß servierten Maistortillas. Man hatte die Wahl zwischen frisch gepresstem Grapefruitsaft und frisch gebrühtem Kaffee. Als nichts Essbares mehr auf dem Tisch zu finden war, stand Sandra auf und räumte ab. Alle halfen ihr, und der Geschirrspüler war so schnell beladen wie noch nie.
Die Gruppe verlagerte sich ins Wohnzimmer, wo die Polizisten zu dritt auf dem Sofa Platz nahmen, während Sandra sich in einem Sessel gegenüber einrollte. Sie trug einen Kaftan, und ihr graues Haar fiel offen locker und lang herab. Devargas hatte Jeans und ein Arbeitshemd angezogen. Er stand angelehnt gegen eine Wand da und starrte nach draußen auf eine riesige Pappel, die die Vorderseite seines Hauses beherrschte. Cathie und ihre Eltern würden später vorbeischauen.
Marge begann das Gespräch, indem sie sich an Sandra Devargas wandte. »Danke, dass Sie in diesem schwierigen Moment mit uns reden. Es würde uns sehr helfen, wenn wir von Beth und Manny ein Foto hätten.«
»So viele Fotos, wie Sie entbehren können«, fügte Oliver hinzu.
Peter antwortete zuerst. »Wir haben eine Menge Fotos von Beth, aber ich möchte sie wiederhaben.«
»Selbstverständlich«, versicherte Marge, »und Bilder von Manny würden uns auch weiterhelfen.«
»Pech gehabt, die habe ich alle verbrannt«, sagte Devargas.
»Warum machen Sie ihn für Beths Tod verantwortlich?«
Peter drehte sich zu den Polizisten hin und blickte ihnen direkt in die Gesichter: »Der Junge war eine falsche Schlange.«
»Und Sie, wie dachten Sie über Manny?«, fragte Decker Sandra.
Sie antwortete nicht sofort, als müsste sie erst jedes Wort abwägen. »Er sah gut aus, war charismatisch und der Star des Footballteams.«
»Er war wieselflink.« Devargas richtete seine Worte an die Männer. »Er fiel immer auf die Füße und hatte immer einen flotten Spruch parat. Die Mädchen ließen sich erst davon täuschen und dann von ihm selbst.«
»Er hatte wirklich viele Verabredungen«, sagte Sandra.
»Die ganze Anhimmelei ließ ihn großspurig werden.« Devargas klang verbittert. »Hier war er ein großer Fisch in einem kleinen Teich. In Los Angeles war er bestimmt nichts Besonderes mehr. Aber was mich betrifft: Nur er selbst fand sich so toll.«
»Bleib bei der Wahrheit, Peter. Er hatte jede Menge Fans unter den Einheimischen
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