Habgier: Roman (German Edition)
das schmackhafte Essen folgten als Dessert verschiedene Platten mit getrockneten Früchten, Nüssen und gemischten Keksen. Sie schafften es, über jede Menge Nebensächlichkeiten zu sprechen, und befragten die Polizisten, ohne aufdringlich zu sein. Als ihnen die höflichen Fragen ausgingen, lenkte Decker das Gespräch auf die Kindheit der beiden Frauen. Sie redeten darüber, wie klein und ländlich Santa Fe damals gewesen war, fast nur ein Dorf mit ein paar natürlichen Quellen für die, die unter rheumatischem Fieber litten oder kaputte Lungen oder ein schwaches Herz hatten. Von da aus beschrieben sie ihre turbulente Jugend während des Zweiten Weltkriegs und wie alle über die Geheimwissenschaftler tuschelten, die in einem provisorischen, versteckten Wohnprojekt in Los Alamos lebten.
Sie redeten kurz über ihre Ehemänner. Die waren heute beim Bowlen und würden in etwa einer Stunde zurück sein. Die Kinder ließen sie unerwähnt, aus verständlichen Gründen.
Bis sie mit dem Essen fertig waren, war es bereits kurz vor elf Uhr. Marge hatte im Hotel Bescheid gegeben, sie würden wohl spät einchecken. Dennoch entschuldigte sie sich für einen Moment und rief das Hotel an, um sicherzugehen, dass die Reservierung bestehen blieb.
Kein Problem, sagte der Hotelangestellte.
Gut so.
Denn es würde eine sehr lange Nacht werden.
Die Männer kamen fünfzehn Minuten später nach Hause und aßen die Reste des Abendessens auf, obwohl in ihrem Jungs-Ausflug Dinner enthalten war. Peter Devargas war dünn und drahtig, mit hellblauen Augen und einer großen Hakennase. Bis auf einen schneeweißen Haarkranz, der am Hinterkopf von einem Ohr zum anderen reichte, war er kahl. Tom Ruiz war gedrungen und hatte noch eine silbrige Haarmähne. Seine Nase war eher breit, seine Augen waren grün, und Cathie schien ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Ähnlichkeit fiel besonders auf, wenn die beiden nebeneinanderstanden.
Bis die Männer aufgegessen hatten und der Tisch abgeräumt war, ging es auf Mitternacht zu. Marge kämpfte darum, wach zu bleiben, Oliver war still geworden, und Decker hielt durch, indem er den starken Tee trank. Die vier alten Herrschaften ließen sie schlapp aussehen, so lebhaft und aufnahmebereit, wie sie dasaßen.
»Also«, sagte Peter Devargas, »ich denke, wir haben es jetzt lange genug aufgeschoben.« Er sah seine Frau an. »Meine Nichte sagt, Sie hätten ein Foto von Isabela?«
»Nicht ganz.« Decker versuchte zu erklären, was sie gefunden hatten und wie der Gesichtsrekonstrukteur vorgegangen war. Er sprach langsam und durchdacht, und niemand unterbrach ihn, aber alle nickten an den richtigen Stellen. »Es sieht so aus, als wäre die Leiche dort vor rund dreißig Jahren abgelegt worden. Ihre Nichte fand, die Nachbildung sei ihrer Cousine sehr ähnlich.«
»Also haben Sie die Interpretation eines Gesichts durch einen Künstler, basierend auf ein paar alten Knochen?«, fragte Devargas.
»Ja, leider.«
»Na gut, dann zeigen Sie mal her.«
Decker warf einen Blick auf Sandy. Eine Hand bedeckte ihren Mund, die andere wurde von ihrer Schwester gehalten. Cathie hatte ihren Vater untergehakt und lehnte an seiner Schulter. Decker nahm das Foto aus der Tasche und reichte es Devargas.
Der alte Mann streifte die Aufnahme mit einem Blick und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, gab er das Bild an Decker zurück und sagte: »Sie ist es.«
Tia Sandy schnappte nach Luft und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. »Katarina«, sagte Lucy, »bring Tia Sandy bitte ein Glas Wasser.«
Cathie unterdrückte ein Schluchzen. »Natürlich.«
Tom Ruiz klopfte seinem Schwager auf den Rücken. Devargas’ Augen füllten sich mit Tränen, aber er blinzelte, und sie waren verschwunden. »Wann können wir mein Baby zu uns holen und mit dem Segen der Kirche beerdigen?«
»Wir werden uns sofort darum kümmern«, versicherte ihm Decker. »Es wäre sehr hilfreich, wenn wir beweisen könnten, dass es Isabela ist.«
»Mit Röntgenbildern ihrer Zähne«, erklärte Marge.
Devargas sah seine Frau an. Tia Sandy bekreuzigte sich, ließ dann ihre Hände ganz langsam in den Schoß sinken und faltete ihre Hände so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ihre Stimme klang glasklar, als sie sagte: »Sie war bei Dr. Bradley und Dr. Chipley in Behandlung.«
»Dr. Chipley ist schon lange tot«, fügte Tom Ruiz hinzu, »aber Fred Bradley wohnt hier noch. Ich hab ihn gerade erst auf dem Plaza-Frühlingsfest gesehen... Wann
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