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Habgier: Roman (German Edition)

Habgier: Roman (German Edition)

Titel: Habgier: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Kopf.
    »Wissen Sie zufällig, wo Martin Hernandez einsitzt?«
    »Hier in Santa Fe«, antwortete Sandra, »das Gefängnis liegt ungefähr eine Viertelstunde außerhalb der Stadt.«
    »Hochsicherheitstrakt?«
    Sandra nickte. »Er hat fünfundvierzig Jahre bekommen.«
    »Der Antrag auf Bewährung wurde viermal abgelehnt«, mischte sich Devargas wieder ein. »Da tut mal jemand das Richtige.«
    »Wenn er lange genug lebt, wird er es in drei Jahren als ein freier Mann verlassen«, sagte Sandra.
    »Das ist die Tragödie unseres Justizsystems«, brummte Devargas.
    Es war wirklich schade, dass Decker wegen des Interessenkonflikts Farley Lodestone und Peter Devargas nicht einander vorstellen konnte. Sie würden sich sofort verstehen, zusammengeschweißt in Zynismus und Trauer. »Was geschah mit Mannys Bruder, Belize?«
    Die beiden zuckten mit den Achseln.
    »Wissen Sie, warum er ins Gefängnis kam?«
    »Raubüberfall.«
    »Wie alt ist er jetzt?«
    »Er war zwei Jahre älter als Manny«, meinte Sandra, »also Mitte fünfzig.«
    »Und wie alt ist Martin Hernandez?«
    »So alt wie wir... Ende siebzig, vielleicht Anfang achtzig.«
    »Sie sagten, dass Martin das Gefängnis als freier Mann verlassen wird, wenn er nur lange genug lebt«, fragte Decker nach. »Ist er krank?«
    »Nein, aber Sie wissen ja, wie das in Kleinstädten läuft.« Sandra legte den Kopf in Richtung ihres Mannes schief. »Die Leute vergessen nicht.«
    »Nein, sie vergessen verdammt noch mal gar nichts«, sagte Devargas, »und wenn Martin weiß, was gut für ihn ist, dann bleibt er bis ans Ende seines Lebens hinter Gittern!«
     
    Decker hatte immer noch Dutzende von Fragen an die Eltern, aber das musste warten. Denn als er auf die Uhr sah, stellte er schockiert fest, dass es schon fast ein Uhr war. In acht Minuten hatten sie das Treffen mit Fred Bradley, dem Zahnarzt im Ruhestand, der behauptete, immer noch im Besitz von Isabela Devargas’ Röntgenbildern zu sein. Glücklicherweise war Santa Fe eine kleine Stadt, und das durch Touristen verursachte Verkehrschaos ließ noch auf sich warten.
    Bradley, der Khakihosen, ein blaues Hemd und weiße Bootsschuhe trug, war bereits um die achtzig: ein weißhaariger Mann mit gebeugten Schultern und dünner, durchsichtiger Haut, mit einer vom Gin geröteten Nase und wässrigen Augen. Ein umgänglicher Typ – er lebte sein gutes Leben und spielte viel Golf. Er bat die Polizisten in sein Apartment, dessen Wohnzimmerfenster den Ausblick auf einen kleinen See in einem 9-Loch-Platz einrahmten. Nachdem sich die Polizisten gesetzt hatten, bot er ihnen eine Auswahl an Erfrischungen an. Mit alkoholfreien Getränken ausgerüstet – Bradley hatte sich etwas Härteres genehmigt – bedankte sich Decker bei ihrem Gastgeber nicht nur für die Einladung, sondern auch für die Weitsicht, Isabela Devargas’ Röntgenbilder aufzuheben.
    Dann begann Bradley zu reden, erst über Isabela, aber irgendwann kam er vom Thema ab und erzählte alles Mögliche. Decker befürchtete schon, Bradley würde noch Stunden über »die guten alten Zeiten« plaudern, doch da tippte Oliver auf das Zifferblatt seiner Uhr und erinnerte den gesprächigen Herrn daran, dass sie ein Flugzeug erreichen mussten. Sie bedankten sich für die Röntgenbilder und fuhren auf der Interstate 25 Richtung Albuquerque.
    Die einstündige Fahrt zurück in New Mexicos bevölkerungsreichste Stadt wuchs sich mitten im Berufsverkehr zu einer zweistündigen Angelegenheit aus, Stoßstange an Stoßstange, und nur mit einem wahnwitzigen Schlusssprint erreichten sie ihren Flug. Als sie endlich in der Maschine saßen – Marge auf dem ungeliebten Mittelplatz – seufzten alle drei erleichtert. Cathie Alvarez hatte sich entschieden, nicht mitzukommen und ein paar zusätzliche Tage bei ihren Verwandten zu verbringen.
    Beths Röntgenbilder. Ihre Mission war erfolgreich gewesen, auch wenn die Reise mehr neue Fragen aufwarf als alte beantwortete.
    »Wir haben die Verwandten der Familie Hernandez mit keinem Wort angesprochen«, resümierte Marge, als sie endlich in der Luft waren. »Bestimmt leben einige von ihnen noch.«
    »Was würde uns ein Gespräch mit ihnen nützen?«, fragte Oliver.
    »Eine andere Sicht der Dinge wäre doch vielleicht ganz interessant.«
    »Ich habe da eine Idee«, sagte Deckert. »Wenn Manny Hernandez noch lebt, glaubt ihr, er hätte seinen Vater im Gefängnis besucht?«
    »Unter falschem Namen vielleicht«, sagte Marge.
    »Vielleicht sogar unter seinem eigenen Namen.

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