Habgier: Roman (German Edition)
Finger am Abzug hatte. Wenn nicht, tappen wir wie blöd im Dunkeln.«
»Du hast in einem zweiunddreißig Jahre alten Fall erstaunliche Fortschritte gemacht.« Sie beugte sich über ihn, küsste ihn auf die Wange und löschte das Licht. »Und jetzt schlaf dich aus.«
Decker massierte sich mit seinen klobigen Händen das Gesicht. »Ich bin hundemüde, aber ich weiß nicht, ob ich schlafen kann.« Er warf den Kopf zurück und blickte an die Decke über ihm, auf der Schatten tanzten. »Es gibt Momente, da verstehe ich, warum ein Drogensüchtiger seine Drogen braucht.«
»Ich weiß, wie wütend es dich macht, dass ein Mörder ungeschoren davonkommt, aber eines Tages müssen wir alle sterben, und das ist der Moment, in dem jeder erkennt, dass letztendlich jemand anders die Kontrolle über uns hat.«
»Stell dir doch mal vor, du stirbst, und das war’s?«, sagte Decker. »Ich meine, ganz und gar. Du bist nichts anderes mehr als Futter für die Maden!«
»Vielleicht ist es so«, antwortete Rina, »aber da es niemand genau weiß, ziehe ich vor, an etwas anderes zu glauben. Und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass man mir einen Sack mit Falschgeld angedreht hat, bin ich einfach der Meinung, dass man gläubig besser lebt. Der Glaube ist etwas für die Lebenden, Akiva, nicht für die Toten.«
»Ich liebe es, wenn du mich Akiva nennst, du klingst dann so ernst.« Er schwieg einen Moment. »Du glaubst also wirklich daran, dass, egal was du tust, es irgendwann auf dich zurückfällt? Du meinst, das ist nicht nur irgend so eine dämliche Redewendung, die einem ein gutes Gefühl geben soll?«
»Das gehört bestimmt dazu, aber es ist nicht alles. Ärger dich nicht. Ich habe bei dem Fall ein gutes Gefühl. Ihr habt Beth Hernandez identifiziert, und das war der erste Schritt, um ihren Mörder zu fassen. Und glaub bloß nicht, nur weil er die ganzen Jahre nicht im Gefängnis saß, ist er ungeschoren davongekommen. Vielleicht quälen ihn Gewissensbisse. Auch wenn er einer von den knallharten Psychos ist, wie du sie nennst, dann musste er die letzten dreißig Jahre damit leben, sich immer wieder vorsichtig umzusehen. Sogar Psychopathen haben einen Selbsterhaltungstrieb.«
Decker lächelte. »Also gut, du hast es geschafft. Mir geht’s wieder besser.«
»Glaubst du, du kannst jetzt einschlafen?«
»Keine Ahnung, ich bin immer noch angespannt. Rede doch übers Gärtnern, dann schlafe ich bestimmt sofort ein.« Peter streckte sich im Bett aus.
Rina knuffte ihn leicht in die Schulter.
Decker schloss die Augen, aber anstatt zu schlafen, sah er das Gesicht von Beth Hernandez vor seinem inneren Auge. Die Ruhe um ihn herum füllte sich augenblicklich mit der Stimme Farley Lodestones. Wenn er auf diesem Weg war, versuchte er, sich angenehme Dinge vorzustellen... ein Ausritt am Meer, eine lange Wanderung im Herbst... sich zu lieben.
Er fühlte ein Kribbeln in den Lenden.
Vielleicht konnte er mehr tun, als sich den Liebesakt nur vorzustellen.
Seine Augen wanderten zum Wecker. Es war schon spät, er war nicht gerade in bester Verfassung und Rina wahrscheinlich zu müde, doch er streckte trotzdem seine Hand nach ihr aus. Sie kuschelte sich in seinen Arm und schmiegte sich an seine Brust. Ihre Augen waren geschlossen, und sie zeigte keinerlei Anzeichen von Erregung. Decker schloss wieder die Augen und spürte, wie sein Herzschlag sich verlangsamte. Die Anspannung ließ nach, und ihm wurde schwummrig. Kein Sex, aber alles war gut.
Marge wartete bereits vor Deckers Büro, als er im Revier eintraf. Unter einem leichten sandfarbenen Pulli trug sie eine blaue Baumwollbluse, dazu eine marineblaue Hose und Slipper. Sie reichte ihm eine Tasse Kaffee, nahm ihm die Schlüssel aus der Hand und schloss die Bürotür auf. »Hast du einen Termin mit Lauren, der Gesichtsrekonstrukteurin, vereinbart?«, fragte sie.
»Ja, hab ich, aber nicht nur mit Lauren.« Decker schaltete das Licht ein und setzte sich an seinen Schreibtisch. »Wir treffen uns um zwei in der Crypt mit einem Spezialisten für computergesteuerte Alterungsprozesse. Und danke für den Kaffee.«
»Jemand hat heute Morgen Muffins von Coffee Bean mitgebracht. Möchtest du einen?«
Coffee Bean war das kalifornische Pendant zu der größeren und allgegenwärtigen Starbucks-Kette, aber eben auch koscher. Sogar Rina kaufte dort Backwaren. »Muffin klingt gut.«
»Ich hol ihn dir.« Marge legte einen großen braunen Umschlag auf seinen Tisch. »Schulen und Gefängnisse sind früh
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