Habgier: Roman (German Edition)
dem Absturz gehört und umgehend beschlossen hat, dies sei eine einmalige Gelegenheit, seine Ehefrau zu ermorden.«
»Ja, denn sie wollte sich scheiden lassen, wodurch er, laut Farley Lodestone, finanziell ruiniert gewesen wäre.«
»Das ist der Stiefvater, der drei Eisenwarenläden besitzt.«
»Und von denen einer besser läuft als der andere.«
Marge machte weiter: »Also brachte Ivan nach dem Crash Roseanne um. Dann rief er bei der Fluglinie an und behauptete, Roseanne sei auf dem Flug gewesen, weil sie ihre Pläne in letzter Minute geändert habe. Deshalb müsse man ihren Namen auf die Liste der toten Passagiere setzen.«
»So in etwa.«
»Aber ihre Leiche wurde bis heute nicht gefunden?«
»Farley Lodestone legte großen Wert darauf, mir das gleich dreimal zu sagen«, bestätigte Decker.
»Schön und gut, aber nach dem Stand von heute Morgen gibt es immer noch Tote, die nicht identifiziert wurden. Warum warten wir nicht das Ende der Untersuchungen ab?«
»Lodestone hat keine Lust mehr zu warten.«
»Und wir müssen uns diesem Mann beugen, der höchstwahrscheinlich eine Art irrationalen Hass auf seinen Schwiegersohn pflegt?«
Decker zuckte mit den Achseln.
»Darf ich fragen, warum?«
»Du darfst, und ich will versuchen, dir eine Antwort zu geben, weil ich mir auch schon Gedanken darüber gemacht habe. Wenn da nur Farleys Anschuldigungen wären, würde ich die Sache nicht weiterverfolgen. Nur: Da ist die Mutter, Shareen, und sie wirkt so ernst. Sie spürt, dass Roseanne tot ist. Ich weiß, es wäre das Einfachste, die beiden ruhigzustellen, bis wir eine Leiche haben, aber die Leute leiden. Es kann noch Monate dauern, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind, und wenn Roseannes Leichnam bis dahin nicht aufgetaucht ist, fehlen uns genau diese Monate, um herauszufinden, was passiert ist. Hinweise verlieren sich, Zeugen ziehen um. Wenn es um Mord geht, dann legen wir besser jetzt los.«
»Wenn.«
»Ich weiß, das große Wenn .«
Marge grinste. »Womit soll ich anfangen, Rabbi?«
»Ruf ein paar Leute bei West Air an. Vielleicht kannst du eine schriftliche Bestätigung auftreiben, dass Roseanne tatsächlich an Bord war – einen Computerausdruck mit Roseannes Schichteinteilung, ein Memo, irgendetwas, das Roseanne mit San Jose in Verbindung bringt. Die Lodestones haben das auch schon probiert, aber zurzeit spricht West Air nicht mit den Familien der Opfer.«
»Wahrscheinlich haben sie Angst vor Prozessen.«
»Das und weil sie damit beschäftigt sind, die Ursache des Absturzes herauszufinden. Wenn wir einen Einsatzplan finden würden, könnten wir damit die Eltern beruhigen.«
»Und falls es nun keine schriftliche Änderung des Personalplans gibt?«
»Es muss so etwas geben, Marge. Sie kann nicht einfach in Uniform auftauchen und in ein Flugzeug steigen.«
»Und warum nicht?«
Decker seufzte: »Okay, vielleicht schon, aber warum sollte sie das tun?«
Marge gab ihm in diesem Punkt recht: Roseanne musste eine Dienstplanänderung bekommen haben, und es musste darüber einen Nachweis geben. »Gut, ich habe heute Nachmittag ein bisschen Luft, dann erledige ich die Anrufe.«
»Danke, Marge.«
»Falls die Airline sich weigert, Auskünfte zu geben, haben wir dann noch jemanden, der die Beteiligung von Ivan dem Schrecklichen an Roseannes Verschwinden bekräftigen könnte?«
»Da wäre was...« Decker zog die Liste, die Shareen ihm gegeben hatte, unter seinen Papieren hervor. »Das sind Roseannes Freunde. Shareen Lodestones Worten nach haben ihr selbstverständlich alle bestätigt, dass die Version, die Ivan der Schreckliche in die Welt gesetzt hat, totaler Humbug sei.«
»Hast du schon jemanden angerufen?«
»Nein, denn ich bin der Lieutenant, und du bist der Sergeant.« Er gab ihr die Liste. »Und jetzt kannst du dir als Sergeant jemanden aussuchen, an den du die Arbeit delegierst.«
»Hast du da eine konkrete Idee?«
»Du hast die Qual der Wahl.«
Marge verließ Deckers Büro und sah sich im Großraumbüro des Reviers um. Die meisten ihrer Kollegen waren schon auf Streife, und die paar, die noch an ihren Schreibtischen herumlungerten, sahen auf einmal alle ziemlich beschäftigt aus.
Alle außer Scott Oliver.
Der altgediente Detective, bereits dreißig Jahre dabei, war darin vertieft, seine Fingernägel zu reinigen. Er hatte ganz offensichtlich morgens geduscht, denn er war frisch rasiert, und sein Gesicht sah so rosig und weich aus wie ein Babypopo. Das schwarze Haar war streng nach hinten
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