Habgier: Roman (German Edition)
sowieso ziemlich hungrig.«
Der Bob-Hope-Flughafen, vormals Hollywood-Burbank, war einer dieser kleinen, vorstädtischen Airports, die versuchten,
Flüge vom großen Bruder LAX abzuziehen. Doch die Gegend war und blieb mehr Burbank als Hollywood und konnte seit Jahren einzig die NBC-Studios vorweisen. Jetzt versuchte man, die Gegend mit Erlebnis-Kino, hippen Vintage-Boutiquen, trendigen Restaurants und baumgesäumten Joggingwegen aufzuwerten. Aber die einfachen Geschäfte, eins neben dem anderen, dominierten immer noch das Bild, genauso wie die Autohändler, die Fabrikläden und die billigen Elektrohändler, die ihre Waren direkt an der Straße verkauften.
Oliver und Marge bogen in den Hollywood Way ein und fuhren an einigen Geschäftshotels, Burgerketten und einem gottverlassenen Bürokomplex aus Glas vorbei. Die Verwaltung von West Air befand sich im fünften Stock einer Bank. Es gab ein angrenzendes Parkhaus für das ganze Gebäude, und Oliver wählte einen Parkplatz auf dem obersten Deck, obwohl es auf den unteren drei Ebenen genug Platz gegeben hätte. Es war eine Angewohnheit von ihm. Er begründete es damit, dass, sollte es ein schweres Erdbeben geben und das Parkhaus in sich zusammenfallen, sein Auto auf dem obersten Deck die besseren Chancen hätte, verschont zu bleiben.
Gerade als Marge den Fahrstuhlknopf drückte, klingelte ihr Handy. Sie schaute auf das Display, und die Nummer, die sie erkannte, beunruhigte sie.
Es war die Handynummer von Vega.
Vega, die jetzt in einer Studentenwohnung der Caltech lebte, rief jeden Abend um Punkt acht Uhr an, komme was wolle. Es war völlig egal, wo sie gerade war oder wo Marge sich gerade befand: Vega rief um acht Uhr an, weil Marge sie gebeten hatte, jeden Abend anzurufen. Nicht unbedingt Punkt acht, aber das war typisch für Vega – alles musste seine Ordnung haben.
Ihr Anruf um diese Zeit kam deshalb einem Notruf gleich.
»Ich muss da rangehen«, sagte Marge.
»Kein Problem.«
Vegas Stimme klang panisch. »Mutter Marge?«
»Vega, was ist los?«
»Oh, Mutter Marge. Es tut mir so leid, dich zu stören, aber ich weiß einfach nicht weiter, auch wenn das jetzt ziemlich dumm klingt.«
»Spuck’s aus, Liebes.«
»Mutter Marge, ich arbeite mit einem zusammen, der Joshua Wong heißt. Er ist in meiner Teilchenphysik-Klasse. Er ist sehr nett.« Sie holte tief Luft. »Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm heute Abend zu einer Party gehe. Ich war so geschockt, dass ich zugesagt habe.«
Ein Grinsen zog über Marges Gesicht. »Liebes, das ist ja wunderbar.«
»Mutter Marge, ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll.«
»Du sollst dich einfach nur amüsieren, Vega.«
»Ich weiß nicht, wie man sich amüsiert. Ich weiß noch nicht einmal, was das ist.«
Sie stand kurz davor zu weinen. Marge wusste, dass die knappen Worte Vegas genau der Wahrheit entsprachen. Vega war in einer Sekte aufgewachsen: nur Arbeit, nie Vergnügen. Als die Sekte gewaltsam zerschlagen wurde, blieb Vega als Waise zurück. Marge hatte sie bei sich aufgenommen, und die beiden hatten eine besondere Beziehung zueinander aufgebaut. Ganz bestimmt wusste das Mädchen, was es heißt zu lieben, aber was das Knüpfen von sozialen Kontakten anging, blieb Vega ein unbeschriebenes Blatt.
»Ich weiß nicht, wie man sich auf einer Party benimmt. Ich weiß nicht, was man sagen soll. Joshua wird mich für total bescheuert halten.«
»Sicherlich nicht.«
»Über was redet man denn da? Mir ist so schlecht wegen dieser Sache, ich kann mich gar nicht mehr konzentrieren. Ich habe Angst hinzugehen und genauso viel Angst abzusagen. Ich mag Joshua. Ich möchte nicht, dass er wütend auf mich wird.«
»Erstens könnte niemand wütend auf dich werden.« Sie blickte zu Oliver, der ein Gähnen simulierte. Sie funkelte ihn wütend an. Dann holte sie tief Luft.
Rede mit Vega in einer Sprache, die sie versteht.
»Sitzt du vor deinem Computer?«
»Ich habe meinen Laptop dabei, wie immer.«
»Okay, ich gebe dir jetzt ein paar Anweisungen. Schreib sie auf.«
»Bin gleich so weit, Mutter Marge, okay.«
Ihre Stimme klang gleich wesentlich besser bei der Aussicht auf eine Anweisung. »Etwas zum Anziehen. Kauf dir eine schöne schwarze Hose und ein schwarzes Top. Kein Rollkragen, Vega, sondern etwas mit einem Ausschnitt.«
»Lang- oder kurzärmelig?«
»Das spielt keine Rolle. Schuhe sollten schwarz sein. Ich würde dir zu deinen Biker-Stiefeln raten. Damit zeigst du, dass du keine Angst vor einem individuellen Stil
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