Habgier: Roman (German Edition)
Uhr bei der Arbeit? Wenn der Kerl gegen sieben Uhr morgens vom Parkplatz gerast ist, hatte er nie und nimmer genug Zeit, einen geeigneten Platz zu finden, sie zu vergraben, ihren Wagen am Flughafen abzustellen, ein Taxi zurück zur Wohnung zu nehmen und um neun bei der Arbeit zu sein.«
»Vielleicht hat die Zeugin die Zeit durcheinandergebracht«, meinte Wang.
»Jemanden am helllichten Tag in einem Auto zu töten, ist sehr riskant«, warf Decker ein, »genauso wie einen Körper herumzuschleppen und im Kofferraum zu verstauen. Es bleibt tatsächlich die Möglichkeit, dass ihr Auto beschleunigte, weil sie losraste, um den Todesflug zu erwischen.«
»Erika Lessing«, sagte Marge, »die Stewardess am Schalter von West Air, erinnert sich ausdrücklich daran, Roseanne nicht gesehen zu haben.«
»Ein bejahender Zeuge ist immer besser als ein verneinender«, sagte Decker. »Roseanne könnte reingewischt sein, ohne dass Erika sie bemerkte.«
»Natürlich«, erwiderte Marge, »aber viel wichtiger ist doch: Von Roseannes persönlichen Dingen wurde nichts am Unfallort gefunden.«
»Genau das«, sagte Decker, »und die Tatsache, dass ein Zeuge das Auto hat wegrasen sehen, werden wir einsetzen, um die richterliche Verfügung für eine KTU des Autos zu bekommen. Sollte Roseanne in ihrem Auto oder im Kofferraum brutal ermordet worden sein, werden wir wahrscheinlich viel Blut finden – und immer noch genug, selbst wenn Ivan das Auto gereinigt hat.«
»Vorausgesetzt, er hat die Teppiche nicht auswechseln lassen«, meinte Wanda, »und was, wenn doch?«
»Das wäre dann sehr verdächtig«, erwiderte Marge.
»Stimmt«, sagte Decker, »bevor wir also einen Richter mit dem Durchsuchungsbefehl behelligen, lasst uns herausfinden, ob Ivan mit dem Auto irgendwas Merkwürdiges angestellt hat.«
»Wie zum Beispiel die Teppiche auszutauschen?«, fragte Oliver. »Erwartest du, dass wir alle BMW-Händler abklappern?«
»Um blutige Teppiche loszuwerden«, sagte Wanda, »geht er da eurer Meinung nach über einen Händler?«
»Wie auch immer«, sagte Decker, »beginnt mit den offiziellen Händlern. Da kriegt man neue Teppiche am schnellsten, und so viele gibt es hier in der Gegend nicht. Wenn nichts dabei rauskommt, befragt die unabhängigen Werkstätten. Ivan mag vielleicht beschränkt sein, aber er würde nie in einem blutverschmierten Auto herumfahren.«
»Er war richtig scharf auf Roseannes BMW«, sagte Oliver, »es gibt ja nichts Schöneres als ein Auto, das man nicht selbst bezahlen musste.«
Um elf Uhr sechsundzwanzig am nächsten Vormittag gab Decker grinsend bekannt, dass Raymond Holmes’ Fingerabdrücke vom rechten Ringfinger und vom rechten Daumen mit den aktenkundigen Fingerabdrücken von Belize Hernandez übereinstimmten. Schon bei den ersten Worten der guten Nachricht gab es im Revier Beifallsstürme. Die passenden Fingerabdrücke zusammen mit der Geschichte des alten Mannes machten aus dem Bauunternehmer einen Hauptverdächtigen für den Mord an Beth Devargas und katapultierten Holmes an die erste Stelle in Sachen der vermissten Roseanne Dresden, trotz des rasenden BMWs und des Lügendetektortests.
Angesichts der passenden Fingerabdrücke, Raymond Holmes’ Besuchen im Gefängnis von Santa Fe und Martin Hernandez’ Versicherung, er würde gegen seinen Sohn im Austausch für seine eigene sofortige Freilassung aussagen, hatte Decker keinerlei Probleme, einen Haftbefehl für Holmes wegen Mordverdachts an Beth zu bekommen. Um zwei Uhr nachmittags war er ausgestellt und unterschrieben, und um sechs Uhr abends saßen Decker, Oliver und Marge an Bord des Southwest-Fluges von Burbank, auch bekannt unter dem Namen Bob-Hope-Airport, mit dem Ziel San Jose International in der dreizehnten Reihe, Sitze A, B, und C. Holmes würde am nächsten Morgen zur Befragung in eins der Polizeireviere von San Jose gebracht werden. Die Dienst habenden Polizisten waren instruiert worden und standen dem Trio zur Verfügung, falls notwendig.
Zur großen Erleichterung aller erklärte sich Holmes zum Mitkommen bereit, ohne ihn über die genauen Vorwürfe informieren zu müssen. Er war diesmal allerdings so weit auf der Hut, dass er nach einem Anwalt fragte. Drei Stunden später warteten Holmes und ein Mann im grauen Anzug namens Taz Dudley in einem Verhörraum auf Decker.
Die Party konnte beginnen.
38
In Erinnerung an Holmes’ Schweißabsonderungen brachte Decker eine Schachtel Kleenex mit und sorgte dafür, dass genug zu trinken
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