Habgier: Roman (German Edition)
haben eine Lücke von gut zehn Jahren aufzufüllen.«
»Wenn wir erst mal eine Übereinstimmung bei den Fingerabdrücken haben, kommen wir ohne Schwierigkeiten an eine richterliche Verfügung zur Einsicht in seine Datenspur. Hoffentlich gibt das dem Fall einen riesigen Schub!«
Es war bereits nach sechs Uhr, als Decker auf den Parkplatz des Reviers fuhr. Er war müde, und sobald sich sein Magen von dem Achterbahnflug über die Rocky Mountains erholt hätte, würde er sterben vor Hunger. Ein paar Kollegen erledigten noch Papierkram, aber Marge und Oliver waren nirgends zu sehen. Er steckte gerade den Schlüssel ins Schloss seiner Bürotür, als er hinter sich jemanden hörte.
»Lieutenant?«
Da Decker hungrig und schlecht gelaunt war und sich keine Mühe gab, dies zu verbergen, musste, wer immer sich ihm näherte, bahnbrechende Nachrichten haben. Wenn nicht, würde der oder die sich seinen Zorn zuziehen. Er drehte sich um und schaffte es, schwach zu lächeln. »Detective Bontemps, Sie wollen zu mir, nehme ich an?«
»Ja, Sir, und es ist wichtig. Ich glaube wirklich, dass Sie das interessiert.«
»Kein Problem.« Decker öffnete die Tür, zog den Schlüssel ab und machte das Licht an. Auf seinem Schreibtisch lag eine Papiertüte, ein riesiger Teller mit Chocolate-Chips-Keksen und eine Nachricht von Rina.
Lieber Peter,
die Kekse sind von Hannah, und sie sind parve .
Alles Liebe von deiner langmütigen, aber hellsehenden
Ehefrau,
Rina
Er lugte in die Tüte – ein Roastbeef-Sandwich mit Krautsalat und ein Apfel. Seine Miene erhellte sich erheblich, kaum dass er das Sandwich auspackte. »Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen etwas voresse, aber ich sterbe vor Hunger.«
»Oh, kein Problem, Sir.«
»Nehmen Sie sich einen Keks; meine Tochter hat sie gebacken.«
»Ich liebe selbst gebackene Sachen. Möchten Sie einen Kaffee? Ich hol mir einen zum Keks.«
»Kaffee wäre super.« Er hatte bereits die Hälfte von seinem Sandwich verschlungen, als sie zurückkam. »Ich danke Ihnen, Wanda, setzen Sie sich. Also, was gibt’s?«
Bontemps’ Gesicht war vor lauter Aufregung über ihre Entdeckung ganz rot. Ihr Haar war frisch geschnitten und gab den Blick frei auf ein rundes Gesicht, geglättet durch ein sehr natürlich wirkendes Make-up. Ihre Haut hatte die Farbe von Milchkaffee, und ihre Lippen wurden durch einen pinkfarbenen Gloss betont. Sie trug eine blaue Bluse, ein Glencheckjackett zu einer braunen Hose und Schnürschuhe. »Lee Wang und ich haben den Apartmentkomplex mindestens dreimal von oben bis unten auseinandergenommen. Heute hatte der liebe Gott ein Einsehen mit uns. Wir haben jemanden gefunden – jemanden, den wir schon einmal befragt hatten -, aber wir haben die Fragen diesmal ein bisschen anders formuliert, und so haben wir andere Antworten bekommen.«
Deckers Gedanken drehten sich bloß noch um die Hernandez-Söhne, so dass er kurz über Wandas Auftrag nachdenken musste. Auseinandernehmen des Apartmentkomplexes: der Fall Roseanne Dresden. Sie hatten immer und immer wieder irgendeinen Zeugen gesucht, der gesehen hatte, wie Roseanne am Morgen des Flugzeugabsturzes ins Gebäude kam oder das Gebäude verließ. Er legte sein Sandwich ab und griff nach Stift und Notizblock. »Gut, fahren Sie fort.«
Wanda ging ihre Notizen durch. Ihre Hände zitterten. »Die Zeugin heißt Hermione Cutlass und arbeitet als Krankenschwester. Diesmal fragten wir anders, also ›Erinnern Sie sich, wo Sie am Morgen des Absturzes waren?‹ statt ›Erinnern Sie sich, Roseanne Dresden am Morgen des Absturzes gesehen zu haben?‹ Wir gingen davon aus, dass wir es längst erfahren hätten, wenn jemand Roseanne an diesem Morgen gesehen hätte.«
»Okay.«
»Jetzt kommt’s.« Wanda räusperte sich. »Am Morgen des Absturzes hatte Hermione Cutlass von sieben Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags Dienst. Aber sie war spät dran, denn ihr Baby war krank, und sie musste auf den Babysitter warten, damit sie loskonnte. Als der Babysitter endlich kam, war sie richtig spät dran.«
»Wie viel Uhr?«
»Sie glaubt, nach sieben, denn da hätte sie nämlich schon längst bei der Arbeit sein müssen. Sie erinnert sich, dass sie zu ihrem Auto gerannt ist, quer über den Parkplatz, ohne wahrzunehmen, was um sie herum los war. Sie hatte immer ihr Auto im Blick, als plötzlich ein schwarzer BMW vor ihr auftauchte und sie fast gerammt hätte. Sie sagt, sie musste zur Seite springen, um nicht überfahren zu werden. Dann fluchte sie dem
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